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Vor zehn Jahren

In einem unscheinbaren Kästchen vermeldete die taz unter der Überschrift „Grüne Spendenaktion“ am 9. Oktober 1989 folgenden Einfall des Parteivorstands der Grünen: Mitten in die Fernsehbilder überglücklicher Menschen, die ihrer eingemauerten Heimat den Rücken gekehrt hatten, riefen die Grünen zu Geldspenden für AsylbewerberInnen und Flüchtlinge auf.

Während die Aktion in weiten Teilen der Grünen in gespielter oder vielleicht sogar wirklicher Naivität als harmloser Appell missverstanden wurde, über der DDR-Übersiedler-Gerührtheit doch bitte kurdische, libanesische oder iranische Flüchtlinge nicht ganz zu vergessen, reagierten einige Mitglieder der Bürgerschaftsfraktion ungehalten.

„Mit Erstaunen“, so schrieb Ex-Parteivorstandsmitglied Thomas Krämer-Badoni in seiner Begründung der Spendenkampagne, habe der Vorstand „die Welle nationaler Begeisterung wahrgenommen, die von den DDR-Übersiedlern in der Bundesrepublik ausgelöst worden ist“ und erklärte die eigene Kampagne zu einem „materiellen und symbolischen Gegengewicht gegen die spontane Aufwallung nationalistischer Gefühle“.

Der grüne Abgeordnete Martin Thomas fand diese Absicht beim Spendenaufruf vor zehn Jahren „politisch fatal“ und „peinlich“.

„Bei jedem anderen Flüchtlingszug hätten vermutlich Dritte-Welt-Initiativen, Flüchtlingskomitees sowie Grüne am Bahnhof gestanden und Reden gehalten und Suppe gebracht“, kommentierte die taz.

Im Falle „DDR“ hat sich die Linke – die DKP ausgenommen – seit 20 Jahren damit begnügt, jede Verantwortung abzulehnen. „Die Mauer fällt, die Mauer im Kopf steht.“

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