Vor der Mietpreisbremse: „Man muss selbstbewusst sein“
Der Mietspiegel ist wichtig als Grundlage für die kommende Mietpreisbremse, meint der grüne Wohnungspolitiker Andreas Otto.
taz: Herr Otto, im Mietspiegel 2015 ist die Miete im Vergleich zu 2013 eher moderat gestiegen. Hat Sie das überrascht?
Andreas Otto: Ein bisschen schon. Wir hatten mehr befürchtet. Immerhin hat Bausenator Andreas Geisel zu Beginn des Jahres gesagt, dass die Durchschnittsmiete bei über sechs Euro liegen könnte.
Bei der Vorstellung des Mietspiegels sagte Geisel, dass der moderate Anstieg auch damit zu tun habe, dass die Zahl der Umzüge zurückgegangen sei. Es gibt also mehr Bestandsmieten und weniger teure Wiedervermietungen.
Da gibt es einen Zusammenhang, ja.
Wenn es so wenig Fluktuation gibt: Warum fließen die Neuvermietungen dann fast zu 40 Prozent in den Mietspiegel ein?
Das gehört zur Systematik des Mietspiegels. Dort wird nicht der gesamte Mietmarkt abgebildet, es fließen nur Mietverhältnisse ein, bei denen sich in den letzten vier Jahren etwas geändert hat. Wir haben als Bündnisgrüne vorgeschlagen, das auf zehn Jahre zu erhöhen. Dazu kommt, dass im Mietspiegel nur die Mieten berücksichtigt werden, die steigen. Die Mieten, die in den vergangenen Jahren nicht erhöht wurden, werden gar nicht berücksichtigt.
Wer hat Ihre Forderung, zehn Jahre Mietentwicklung zu berücksichtigen, denn abgelehnt?
Das war der Bund. Da gab es die Diskussion um die Mietenpolitik vor der Bundestagswahl 2013. Rot-Schwarz hat unsere Forderung nicht berücksichtigt.
Im Vergleich zum letzten Mal fällt der Anstieg moderat aus: 5,84 Euro pro Quadratmeter kalt kostet eine Wohnung im Schnitt laut Mietspiegel 2015, der am Montag vorgestellt wurde. Beim letzten Mietspiegel 2013 waren es 5,54 Euro. Macht einen Anstieg von 5,4 Prozent. Von 2011 bis 2013 betrug der Anstieg 6,3 Prozent.
Neben drei Mieterverbänden waren auch drei Eigentümerverbände beim Erstellen des Zahlenwerks beteiligt. Unterschrieben hat aber nur der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU. (taz)
Der Berliner Mieterverein kritisiert, dass in einzelnen Feldern vor allem die Obergrenzen stark angestiegen sind. Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass anhand der Merkmale für die jeweilige Wohnung mehr Mieten über dem jeweiligen Mittelwert liegen.
Was ist entscheidend für eine Mieterhöhung? Die Obergrenze oder der Mittelwert?
Die ortsübliche Vergleichsmiete. Wenn zum Mittelwert wohnwertsteigernde Merkmale dazukommen, kann die Miete bis zur Obergrenze steigen. Für viele Mieter ist das aber gar nicht mehr nachzuvollziehen. Deshalb ist auch Beratung sehr wichtig.
Was kann der Mieter machen, wenn die Miete über die Obergrenze hinausgeht?
Dann sollte er nicht zustimmen. Ich rate jedem, in den Mieterverein einzutreten oder eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, um in solchen Fällen gewappnet zu sein.
Nun ist der Mietspiegel 2015 auch die Grundlage für die Mietpreisbremse, die ab 1. Juni in Kraft tritt. Die Miete bei Wiedervermietung darf dann nur noch bei 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Was aber, wenn sich der Vermieter nicht daran hält?
Die Umsetzung der Mietpreisbremse hängt davon ab, wie selbstbewusst die Mietinteressenten damit umgehen. Sie müssen im Zweifel den Eigentümer auch auf die ortsübliche Vergleichsmiete hinweisen, die sich ja aus dem Mietspiegel ableiten lässt. Hilfreich wäre es, wenn der Hinweis auf die ortsübliche Vergleichsmiete bereits in den Wohnungsangeboten enthalten ist.
Das werden nicht unbedingt alle Vermieter machen.
Ein transparentes Verfahren wäre schon das Ziel. Die Wohnungssuchenden sollen das auch überprüfen können. Man kann es aber auch, so steht es im Gesetz, rügen und zu viel gezahlte Miete zurückfordern.
Man kann also erst den Mietvertrag mit einer überhöhten Miete unterschreiben und dann vor Gericht gehen?
Aber bitte nur mit Hilfe des Mietervereins. Das ist ein neues Gesetz. Bis es da Urteile gibt, kann es eine Weile dauern. Außerdem hat die Mietpreisbremse den Nachteil, dass sie viele Ausnahmeregelungen hat.
Sie gilt nicht bei Vermietung einer Neubauwohnung oder nach einer umfassenden Modernisierung. Darüber hinaus gibt es eine sogenannte Vormiete, die einen Bestandsschutz begründet. Eine Wohnung, die jetzt schon 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, wird durch die Mietpreisbremse nicht günstiger. Aber wie weiß ich denn als Wohnungssuchender, wie hoch die Miete vorher war?
Da ist das Gesetz eher unscharf. Dort ist nur von einer Auskunft über die Miete die Rede, die der Vermieter geben muss. Das wird aber nicht weiter konkretisiert.
Nun hat das Amtsgericht Charlottenburg-Wilmersdorf den Mietspiegel 2013 in einem Urteil für ungültig erklärt. Wie rechtssicher ist denn der Mietspiegel 2015?
Das ist eine Frage, die viele beschäftigt. Beim Mietspiegel 2013 würde ich gelassen bleiben und schauen, wie das Urteil in der zweiten Instanz aussieht. Wenn sich herausstellt, dass er nicht in Ordnung war, muss man prüfen, ob beim neuen Mietspiegel korrekter gearbeitet wurde. Im Zweifel muss der Senat dann nachbessern.
Was bedeutet es, wenn drei Eigentümerverbände an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt waren, aber nur einer ihn unterschrieben hat?
Das kam schon einmal vor. Für die Rechtskraft ist es egal, nicht aber für die Akzeptanz.
Droht da eine Klagewelle der Vermieter im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse?
Das drohen manche Eigentümer an. Wenn es Hinweise gibt, dass Mietspiegel in manchen Ländern oder Städten zu Fall gebracht werden, muss der Bund ein Verfahren vorgeben, das für alle gleichermaßen gilt.
Leser*innenkommentare
Stefan Mustermann
"...dass im Mietspiegel nur die Mieten berücksichtigt werden, die steigen. Die Mieten, die in den vergangenen Jahren nicht erhöht wurden, werden gar nicht berücksichtigt".
Das ist vorbehaltlich falsch. Dadurch sind unfairerweise Vermieter beforzugt.
Denn bspw. bei einem Miterhöhungsverlangen können die Vermieter mit dem Mitspiegel (dort vergleichbare Wohnungen mit höheren Mieten) argumentieren. Auch die Mieter können sich auf den Mietspiegel beziehen. Bei gerichtlichen Streiten wegen Miererhöhungen ist der Mietspiegel oft entscheidender Beweis für die richterliche Entscheidung.
Und wenn alle Mieten im Mietspiegel berücksichtigt wären, einschließlich der Mieten, die in vergangenen Jahren nicht erhöht wurden, dann würden das Mietpreisniveau und die Mieterhöhungen bei einem deutlich niedrigeren Level in Berlin liegen. Und eine Mieterhöhung, mit dem Argument "ortsübliche Miete", wäre seitens Vermieter nicht so leicht durchsetzbar.