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Vor der Kamera in seinem Element

■ Benjamin Netanyahu (45), Likud-Propagandist im TV-Zeitalter

Benjamin „Bibi“ Netanyahu gehört zur jüngeren Generation israelischer Politiker. Die Karriere des 45jährigen „Bibi“ ist dementsprechend kurz, und diese relative Unerfahrenheit wird von den Wahlpropagandisten der Arbeiterpartei im Vergleich zu seinem sehr versierten Rivalen Peres immer wieder herausgestellt.

Bevor sich Netanyahu in den siebziger Jahren für eine politische Karriere entschied, diente er in den Jahren 1967–72 als Offizier einer Eliteeinheit der israelischen Armee. Später studierte er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA und war als Berater in der US-amerikanischen und israelischen Industrie tätig. 1976 übernahm er die Leitung des „Jonathan Institut“, das Seminare über Methoden der Terrorismusbekämpfung organisiert und dem Andenken von „Bibis“ Bruder Jonathan gewidmet ist. Jonathan Netanyahu war einer der israelischen Militärkommandanten der Rettungsoperation von Entebbe, bei der er ums Leben kam. Benjamin Netanyahu ist Autor eines Buches mit dem Titel: „Terrorismus. Wie der Westen siegen kann“.

Unter der Likud-Regierung des Jitzhak Schamir diente Netanyahu 1982–84 als Vertreter bei den Vereinten Nationen; gleichzeitig war er stellvertretender Botschafter in Washington. Zwischen 1988 und 1991 bekleidete Netanyahu das Amt eines stellvertretenden Außenministers und wurde 1991 von Jitzhak Schamir zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt.

Bei der Madrider Konferenz für Frieden im Nahen Osten war er Mitglied der israelischen Delegation und beteiligte sich später als Sprecher Israels an den Friedensverhandlungen in Washington. In die Knesset wurde Netanyahu zum ersten Mal 1988 gewählt. 1993 beschloß Likud schließlich, Netanyahu zum Parteichef und Spitzenkandidaten für die nächsten Knesset- Wahlen zu küren.

Netanyahu machte sich vor allem als Likud-Propagandist einen Namen. Bei den US-amerikanischen Medien und in der Öffentlichkeit kam der ambitiöse „Bibi“ mit seinem selbstbewußten Auftreten besonders gut an. Der zum dritten Mal verheiratete Politiker ist für das TV-Zeitalter wie geschaffen: Erst vor der Fernsehkamera fühlt er sich in seinem Element. Nach der Wahl Bill Clintons flog er in die USA, um die erfolgreiche Wahlkampagne des neuen Präsidenten zu studieren und für sich zu verwenden.

Die mit den Palästinensern bereits abgeschlossenen Verträge verspricht Benjamin Netanyahu im Falle eines Wahlsieges zu respektieren. Aber das kann nicht als ernste Konzession gelten – angesichts der Tatsache, daß die Verhandlungen über alle wirklich entscheidenden Fragen im israelisch- palästinensischen Konflikt noch bevorstehen.

Hinter dem politisch „glatten“ und jetzt vor allem als friedliebend präsentierten Likud-Chef verbergen sich die sehr verschiedenen Fraktionen seiner gemeinsamen Liste: „moderate“ wie David Levy (ein ehemaliger Außenminister), vernünftige Pragmatiker wie Dan Meridor (ein früherer Justizminister), aber auch die „wilden Militaristen“ wie Ariel Scharon und sein ehemaliger Stabschef Rafael Eitan. Sie alle stellen weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr für den Friedensprozeß dar. Amos Wollin

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