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Vor dem SPD-ParteitagBuschkowsky lässt SPD nachsitzen

Die Neuköllner SPD beantragt auf dem Parteitag an diesem Samstag ein hartes Durchgreifen gegen Schulschwänzer. Sogar die Einweisung ins Internat ist im Gespräch. Kritiker sagen: "Schnellschuss":

Eigentlich ist Europa das Hauptthema auf dem SPD-Parteitag an diesem Samstag. Doch während die dazu vorbereitete Resolution "Europa sozial gestalten" nur bereits bekannte Positionen noch einmal zusammenfasst, sorgt ein Antrag aus Neukölln zum rechten Umgang mit Schulschwänzern für Wirbel.

In dem Antrag heißt es, in Deutschland sei "der Aufwuchs der Unterschichtmilieus nicht zu übersehen". Und die Bildungspolitik sei der Schlüssel, um daran etwas zu ändern. Die Genossen aus dem rechten Kreisverband fordern nun nicht nur ein qualitativ besseres Bildungssystem. Neben der Einführung der Gemeinschaftsschule, dem Ausbau der Ganztagsbetreuung, Weiterbildung für Lehrer soll auch die harte Hand des Staates die Schulverweigerer wieder in die Klassenräume treiben: Wer fünfmal schwänzt, soll dem Jugendamt gemeldet werden. Bei zwei Meldungen folgt dann "die Einleitung amtlicher Ermittlungsvorgänge und gegebenenfalls Anrufung des Familiengerichts wegen Kindeswohlgefährdung".

Bereits bei der bloßen Gefahr, dass Schüler in die Kriminalität abrutschen könnten, soll der "familiengerichtliche Entzug des Sorgerechts" folgen. Für "besonders schwierige Schülerinnen und Schüler" fordern die Neuköllner die "modellhafte Einführung eines Internats". Dort und auf den anderen Schulen soll es darüber hinaus eine im Lehrplan verankerte "Auseinandersetzung mit Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß, Pflichtbewusstsein und Gewissenhaftigkeit" geben.

Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, der die linke Mehrheit in der Partei gerne mit Sprüchen wie "Multikulti ist gescheitert" provoziert, will je nach Verlauf der Debatte auf dem Parteitag auch selbst für den Antrag werben. Man habe die Probleme "viel zu lange nicht wahrhaben wollen".

Tatsächlich ist Neukölln besonders stark betroffen: In keinem anderen Bezirk Berlins fehlen so viele Schüler im Unterricht. An einem durchschnittlichen Schultag in den Klassen sieben bis zehn kommt jedes dreizehnte Kind in Neukölln nicht zum Unterricht. Allein im ersten Halbjahr des vergangenen Schuljahres kamen so knapp 72.000 Fehltage zusammen. Besonders hoch ist die Fehlquote dabei an den Hauptschulen. Das ergibt sich aus einer Ende September veröffentlichen Antwort des Senates auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Mieke Senftleben.

Raed Saleh, dem designierten integrationspolitischen Sprecher der Fraktion, gehen die Vorschläge dagegen zu weit. Der Antrag "weist zwar auf ein wichtiges Problem hin", doch mit den Sanktionen gegen Eltern "macht man es sich zu einfach". Dies seien "Schnellschüsse, die wir so nicht beschließen können".

Als Kompromiss wurden aus dem Antrag bereits die Teile entfernt, in denen das Blaumachen als Problem vor allem von Schülern aus Familien mit Migrationshintergrund beschrieben wird. Es ist aber ungewiss, ob das für eine Mehrheit auf dem Parteitag reicht. Ein Kompromiss könnte sein, das Thema einfach zu vertagen. Dafür macht sich Saleh stark: "Das sollte in die Fachausschüsse verwiesen werden, um dort einen Kompromiss zu finden und die guten Punkte aus dem Antrag zu bewahren", etwa die Ganztagsbetreuung und der kostenlose Kita-Besuch.

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