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Vor dem Milchgipfel"Es gibt zu viel Milch auf dem Markt"

Die Milchbauern erwarten vom Spitzengespräch im Agrarministerium Schritte, um das Angebot zu verknappen. Dann würde der Preis steigen, den sie bekommen.

So verknappten die Bauern die Milch zuletzt selbst: Sie versprühten sie als Düngemittel auf dem Acker. Diesmal hoffen sie auf sinnvollere Maßnahmen Bild: dpa

BERLIN taz Vor dem Milchgipfel am Dienstag hat der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) gefordert, die Überproduktion zu reduzieren. "Bundesagrarminister Horst Seehofer muss Sofortmaßnahmen ankündigen, damit die Lieferpreise der Bauern steigen", sagte BDM-Chef Romuald Schaber der taz. Trotz geringer Erhöhungen nach ihrem Streik vor knapp zwei Monaten bekämen die Landwirte immer noch weniger, als sie für die Herstellung der Milch ausgäben. Eine Lösung will CSU-Politiker Seehofer bei dem Berliner Treffen mit Vertretern der Bauern, Verbände, Milchwirtschaft und Länder erreichen.

"Es gibt zu viel Milch auf dem Markt, aber es geht nur um weniger als ein Prozent der derzeitigen Produktionszahlen in der EU", erklärte Schaber. "Das kann man leicht in den Griff kriegen." Dazu schlägt er vor, den Umrechnungsfaktor zu erhöhen. Dieser bestimmt, wie viel Liter Milch die Bauern liefern müssen, um die Obergrenze (Quote) zu erfüllen, welche die Europäische Union in Kilogramm festlegt. Laut BDM ist der Faktor in Deutschland zu niedrig, so dass viele einzelne Bauern mehr Milch liefern als von der EU erlaubt. Würde er auf europäisches Niveau angehoben, würde automatisch weniger Milch hergestellt.

Dieses Ziel verfolgt Schaber auch mit seiner Forderung, Schlupflöcher bei der Quotenberechnung zu schließen. Bisher könnten Bauern ihre nicht ausgeschöpfte Milchquote an andere Betriebe weitergeben. "Das führt zu Spekulation und muss abgeschafft werden", sagte der BDM-Vorsitzende.

Beide Maßnahmen würden die Produktion nach seinen Worten um ein bis zwei Prozent senken. "Das wären auch Schritte, die sehr schnell marktwirksam sind." Seehofer solle die nötigen Verordnungen ändern, die Landesregierungen im Bundesrat müssten zustimmen.

Bei dem Gespräch am Dienstag hat Schaber auf jeden Fall mindestens einen Verbündeten: die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft: "Wir müssen aufpassen, dass Seehofer nicht mit dem Deutschen Bauernverband Abmachung gegen die Milchbauern trifft", warnte AbL-Vorsitzender Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Der Bauernverband ist zwar die größte Organisation der Landwirte, "aber er vertritt die Interessen der Milchindustrie". Baringdorf prophezeite, dass der Minister einen Milchfonds ankündigen werde. "Den Bauern sollen 300 Millionen Euro wegen der geplanten Aufhebung der Quote angeboten werden." Mit dem Geld sollten die Produktion rationalisiert und größere Molkereien geschaffen werden. "Das ist genau das, was wir nicht wollen. Die Molkereien waren während des Streiks die aggressivsten." Eine Sprecherin Seehofers wollte sich nicht zu den Zielen des Ministers äußern. Sie sagte nur: "Wir erwarten konstruktive Gespräche."

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3 Kommentare

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  • BW
    Bark Wind

    Die Milchmengen in Europa würden schnell durch 2 Maßnahmen sinken:

     

    1. Wenn Tierfuttermittel aus Übersee nur erlaubt wären, wenn sie (a) nachweislich aus sozial u. ökologisch 'nachhaltiger' Produktion stammen, und (b) nicht mit den bis heute normalen extremen Luft- und Wasserverschmutzenden Schiffen mit Schwefel u.a., sowie iherer Klimaschädigung durch CO2 Emissionen etc. transportiert wurden, sondern mit Segelschiffen oder Solarschiffen. Für Fischmehl als Teil mancher Tierfutter sollte das ebenfalls gelten, unter anderem, weil es aussterbende Fischarten wie Haie (auch Kleinhaie) gefährdet, Delfine als Beifang ertrinken lässt und v.a. schon Millionen Kleinfischer z.B. an westafrikanischen Küsten in die extreme Armut getrieben hat (riesige Fischtrailer fangen auch noch was, wo kleine Fischer längst leer ausgehen).

     

    2. (a) Tierhaltung nur so erlaubt wäre, dass Tiere ausreichend Platz und Bewegungsfreiheit haben, und darüber hinaus (b) die Halter nachweisen können, dass sie ausreichend Boden für die Gülle zur Verfügung haben (ggf. auch per Pachtvertrag etc.) - z.B. um Nitrat-kontaminierung des Grundwassers zu vermeiden.

  • DM
    Dütsch Margit

    Vor dem Milchgipfel

    "Es gibt zu viel Milch auf dem Markt"

    Die Milchbauern erwarten vom Spitzengespräch im Agrarministerium Schritte, um das Angebot zu verknappen. Dann würde der Preis steigen, den sie bekommen. VON JOST MAURIN

     

    Leider zhabe ich jetzt nicht mehr den Kommentar warum die Milchprodukte plötzlich teurer geworden sind. Angeblich wegen der Milchknappheit. Mit welchen Irreführenden Artikeln und Ausreden wollen Politiker und Monopolisten die Leute noch weiter für dumm und von Rezession, Deflation und Inflation wegen ihrer falschen Politik ablenken???

  • GK
    Georg Keckl

    Natürlich kann man den Milchpreis heben, wenn man die angebotene Milchmenge verknappt. Nur, um wieviel muß ich die deutsche Milchmenge verknappen um europaweit die Milchpreise für Erzeuger und Konsumenten und damit verbunden die Preise der Milchprodukte auf ein Niveau zu heben, dass auch die letzte deutsche Molkerei ihren Lieferanten 43 Cents/kg angelieferter Milch zahlen kann? Mal unterstellt, das wäre rechtlich überhaupt möglich. Wir haben einen europäischen Milchmarkt und Milchprodukte-Markt. Um zufließende Importe auszugleichen, muß ich hier die erzeugten Mengen immer stärker kürzen. Verbraucher reagieren an der Kasse anders als in statistisch wertlosen Sympathie-Umfragen. NL und DK manchen nicht mit, aus Prinzip, eine europäische Lösung a'la Kanada ist Illusion. Ab einer bestimmten Kürzung gehen reihenweise die Molkereien bankrott, weil sie ihre Anlagen nicht sinnvoll nutzen können und von den Fixkosten gefressen werden. Der Italien-Frischmilch-Export bricht zuerst weg, wird von den Tschechen beliefert. Die Ställe der Milcherzeuger würden immer leerer, aber sie bekommen einen gerechten Milchpreis. Daran würden sie dann bankrott gehen, falls man nicht flächendeckend rechtzeitig aus dem planwirtschaftlichen Unfug austeigen würde. Das einzig sinnvolle Mengen-Regulativ ist der Milchpreis. Erzeuger mit zu hohen Kosten werden von Erzeugern mit geringeren Kosten übernommen, wie das trotz aller Quoten- und Kleinbauern-Erhaltungsträumen seit 100 Jahren so ist. Milchwirtschaft wird es hier immer geben, nahe am Markt und in einem der für Milch vorteilhaftesten Naturräumen der Welt. Die besten und fleißigsten Milchbauern haben wir schon, damit können wir der beste Global-Milchplayer werden, wenn es die wetterwendische Politik, ideologische Fundamental-Idealisten und notorisch zukunftsängstliche Besitzstandswahrer nicht vermasseln.

     

    Mit freundlichen Grüßen: Georg Keckl