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Vor-Wahlkampf bei der CDUAlte Frauen statt alter Männer

Hamburgs CDU entsorgt vor der nächsten Bürgerschaftswahl männliche Altlasten. Aber bei der Förderung der Frauen stockt die Reform.

Geht unfreiwillig aufs Altenteil: Christoph Ahlhaus. Bild: DPA

Diese Einschätzung hat Marcus Weinberg exklusiv: „Mit unserer vielfältigen Auswahl an Männern und Frauen entspricht die CDU Hamburg als Volkspartei der Vielfalt unserer Stadt“, freut sich der Landesvorsitzende der Union über die KandidatInnenliste zur Bürgerschaftswahl, die der CDU-Wahlausschuss am Wochenende verabschiedet hat. Zwar gibt es auf den aussichtsreichen Plätzen zwei Schwule und vier Frauen, der erste Kandidat mit Migrationshintergrund indes rangiert weit hinten auf Platz 25. Dafür werden männliche Altlasten entsorgt, und das ist ja auch ein Fortschritt.

Der prominenteste Nicht-Kandidat bei der nächsten Bürgerschaftswahl im Februar 2015 ist Kurzzeit-Bürgermeister Christoph Ahlhaus. Da er keinerlei Aussichten auf eine ruhmreiche Fortsetzung seiner Politkarriere hat, hängt der 45-Jährige sie an den Nagel und arbeitet künftig als Rechtsanwalt. Mit ihm ist für zwei weitere Abgeordnete des CDU-Kreises Nord, in dem jetzt der neue Kreischef, Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat Dietrich Wersich das Sagen hat, kein Platz mehr: Der Immobilienunternehmer Andreas Wankum (59) und der 52-jährige Innenpolitiker Kai Voet van Vormizeele (fraktionsinterner Kosename: „V3 – unsere letzte Waffe“) werden nicht wieder nominiert.

Ein weiterer Mann aus der alten Führungsriege indes sträubt sich gegen den Sturz ins Nichts: Frank Schira (51), als Partei und Fraktionschef zusammen mit Ahlhaus verantwortlich für das Wahldebakel 2011, hat es noch so eben auf den wackeligen Listenplatz 7 geschafft. Selbst den aber wollen ihm auf dem Landesparteitag am 27. September, der die Vorschlagsliste offiziell beschließen muss, nach taz-Informationen zwei Parteifreunde streitig machen. Wie so etwas geht, weiß Schira aus leidvoller Erfahrung: Bei der Nominierung zur Bundestagswahl im März vorigen Jahres verlor er auf einem CDU-Parteitag zwei Kampfkandidaturen um ein sicheres Ticket nach Berlin und musste Teilzeit-Volksvertreter in Hamburg bleiben.

Das Ausscheiden lang gedienter Männer sorgt indes dafür, dass in der nächsten CDU-Bürgerschaftsfraktion mehr Christdemokratinnen in fortgeschrittenem Alter sitzen werden. Drei aktuelle Abgeordnete haben auch in der nächsten Legislaturperiode ihr Mandat so gut wie sicher: Karin Prien (49) im Wahlkreis Blankenese, Birgit Stöver (44) im Wahlkreis Harburg und Friederike Föcking (50) auf Landeslistenplatz 3. Neu und mit 37 Jahren die jüngste dürfte die Bezirksabgeordnete Franziska Grunwaldt sein, die im Wahlkreis Altona gute Aussichten auf ein Direktmandat hat. Auf der Landesliste haben drei frühere Bürgerschaftsabgeordnete Chancen, ihre parlamentarische Auszeit zu beenden: Marita Meyer-Kainer (60) auf Platz 6, Brigitta Martens (53) auf 9 und Madeleine Göhring (48) auf 12.

Frauen in der CDU

Die Hamburger CDU hat etwa 8.400 Mitglieder, rund 40 Prozent davon sind Frauen. Bei Ämtern, Posten und Mandaten in Bürgerschaft und Bezirken ist dieser Anteil deutlich geringer.

Quote: Auf Vorschlag des Landesvorsitzenden Marcus Weinberg sollte eine Frauenquote ein Drittel aller Mandate für Frauen sichern. Der Vorstoß scheiterte 2012 auf einem Parteitag.

Quorum: Stattdessen gibt es ein freiwilliges und unverbindliches Quorum von einem Drittel.

Bürgerschaft jetzt: In der CDU-Fraktion sitzen aktuell 24 Männer und vier Frauen, das entspricht 14,3 Prozent.

Bürgerschaft bald: Nach der nächsten Wahl könnten bis zu sieben Frauen einer CDU-Fraktion angehören, die etwa 35 Mitglieder umfassen könnte. Das wäre ein Frauenanteil von einem Fünftel.

Eigentlich wollte Parteichef Weinberg auf den Rängen 6 und 9 zwei weibliche Quereinsteiger von außerhalb mit kulturellem und wissenschaftlichem Hintergrund platzieren. Trotz zahlreicher vertraulicher Gespräche mit mehreren Kandidatinnen scheiterte dieses Unterfangen. Und so rückten Hamburger Christdemokratinnen nach vorn.

Er finde, jetzt seien „die richtigen Köpfe für die richtigen Schwerpunkte“ nominiert worden, sagt Weinberg tapfer. Was soll er auch sonst sagen.

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