Vor Wahl am Sonntag: Koch testet das letzte Rezept
Nach Kampagnen gegen Linke und Zuwanderer versucht die Hessen-Union nun, mit Wirtschaftskompetenz zu punkten.
FRANKFURT taz Auf der Zielgeraden im Hessenwahlkampf haben der angeschlagene Ministerpräsident Roland Koch und sein Finanzminister Karlheinz Weimar jetzt einen alten Vorwurf der Union aus der Kiste gekramt: Die SPD könne nicht mit Geld umgehen. Das Finanzkonzept der sozialdemokratischen Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti sei "auf Treibsand" gebaut, meinte am Mittwoch der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Gottfried Milde. Sollte Ypsilanti ihre Wahlversprechen tatsächlich erfüllen wollen, drohe dem Land der "finanzpolitische Kahlschlag".
Koch selbst strich dazu flankierend die "nicht zu übersehenden ökonomischen Erfolge" in Hessen unter seiner Führung heraus: Das Land sei spitze beim Bruttoinlandsprodukt, die Wirtschaftskraft überdurchschnittlich hoch und der Durchschnittsverdienst höher als anderswo in Deutschland.
Die Union zündet jetzt Stufe drei ihrer Wahlkampfrakete. Stufe eins feuerte Koch schon auf dem Listenparteitag der hessischen Union im November ab. Da malte er erstmals das Schreckensbild einer "Volksfront aus SPD, Grünen und Kommunisten" an die Wand. Doch nur wenige Hessen gruselten sich danach wirklich. Die SPD wurde immer stärker, und die Union baute ab. Noch vor dem Jahreswechsel initiierte Koch dann die Debatte über angeblich "zu viele kriminelle ausländische Jugendliche" und forderte eine Verschärfung des Jugendstrafrechts sowie die umgehende Abschiebung straffällig gewordener Ausländer.
Das war Stufe zwei der Kampagnenrakete. Doch auch damit erzielte Koch nicht den gewünschten Mobilisierungseffekt. Die CDU rutschte in allen Umfragen noch einmal um zwei Prozent auf nur noch 38 Prozent ab; Patt mit der SPD. Und jetzt? Hofft Koch, mit der Demonstration wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenz das verloren gegangene Terrain wieder wettmachen zu können. "Hessen entscheidet am Sonntag über Aufschwung, Jobs und Wohlstand", ließ Koch in Wiesbaden verlautbaren. Und dass Hessen "keine linken Experimente" vertrage. Vor allem mit ihrer Absage an Atom- und Kohlekraftwerke habe Ypsilanti "die industrielle Substanz und somit das Herzstück allen wirtschaftlichen Erfolgs preisgeben". Zudem würden bei der Umsetzung des sozialdemokratischen Energieprogramms die Strompreise explodieren, behauptet Koch.
Nur eine weitere "Angstmacher- und Diffamierungskampagne", wie SPD und Grüne rasch konstatierten? Unaufgeregt darauf reagieren, wie bei den sich für Koch eher kontraproduktiv entwickelnden Kampagnen zuvor, können sich SPD und Grüne allerdings nicht mehr leisten. Der Wirtschafts- und Finanzpolitik kommt in einem Land mit einer Stadt wie Frankfurt am Main, die Standort für 500 Banken, die größte Börse und den größten Airport auf dem Kontinent und die EZB ist, schließlich herausragende Bedeutung zu. Sie könnte vielleicht sogar wahlentscheidend sein, hofft die CDU. Seit zwei Tagen jedenfalls schlagen sich die Experten beider Lager Zahlenkolonnen um die Ohren und führen finanz- und wirtschaftspolitische Generaldebatten. Koch habe mit der Ablehnung erneuerbarer Energien dem Land schweren wirtschaftlichen Schaden zugefügt, wehrt sich die SPD. Und von "Schuldenmacher Weimar" - Hessen steht mit 30 Milliarden Euro in der Kreide - lasse man sich nichts vorrechnen.
Sollte Koch am Sonntag seinen Job verlieren, findet er mit seinem aktuellen Thema vielleicht gleich einen neuen: als Bundeswirtschaftsminister. Entsprechende Gerüchte kursieren schon.
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