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Vor Russlands KüsteEin schwimmendes Atomkraftwerk

Stapellauf für einen ungewöhnlichen Meiler: Vor Russlands Nordpolarküste wurde ein 80-Megawatt-Reaktor zu Wasser gelassen. Ab 2012 soll er die Republik Sacha versorgen.

Will die Energieinfrastruktur in der Arktisregion radikal modernisieren: Rosatom-Direktor Sergei Kirijenko. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Der Einsatz des weltweit ersten schwimmenden Atomkraftwerks rückt näher. Am 30. Juni lief in der Baltijski-Schiffswerft in St. Petersburg die "Akademik Lomonossow" vom Stapel. Ab 2012 soll das Kraftwerk vor der sibirischen Nordpolarküste "die Energieinfrastruktur in der Arktisregion radikal modernisieren". So Sergei Kirijenko, Direktor der staatlichen russischen Energiegesellschaft Rosatom, bei seiner Rede zum feierlichen Stapellauf.

Die Aussicht, dass in Zukunft schwimmende Reaktoren einsame Siedlungen in der Arktis oder Bohrplattformen in der Barentssee mit Nuklearstrom versorgen werden, ist für UmweltschützerInnen ein Horrorszenario - sowohl was die Gefahr durch einen Strahlenunfall wie die unkontrollierte Weiterverbreitung von Atomtechnologie angeht. "Was passiert, wenn in diesen abgelegenen Gegenden wirklich ein Unfall passiert?", fragt der Atomphysiker Nils Bøhmer von der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona.

Schwimmende Atomkraftwerke waren von Moskau schon zu Sowjetzeiten projektiert worden. Damals spielte man mit dem Gedanken, hiermit die sowjetischen Siedlungen auf der Arktisinsel Spitzbergen mit Strom und Fernwärme zu versorgen. Nun sind sie zur Versorgung abgelegener Küstenorte oder Grubenprojekte in Sibirien vorgesehen, um teure Überlandleitungen einsparen zu können. Und die russische Nuklearwirtschaft verspricht sich offenbar auch Exportchancen.

Wladimir Chuprov, Energieexperte von Greenpeace Russland, weist zudem auf die lange Geschichte russischer Nuklearunfälle hin: Alle vier bis fünf Jahre stehe ein risikoreicher Transport entlang der sibirischen Polarküste an, wenn das Schiff zum Brennelementewechsel nach Murmansk oder Archangelsk verbracht werden müsste.

Die "Akademik Lomonossow" soll mit zwei umgebauten Reaktoren, wie sie ähnlich auch in atomaren U-Booten oder Eisbrechern verwendet werden, eine Leistung von 80 Megawatt haben. Mit ihrem Bau war bereits 2007 begonnen, dieser dann zwischenzeitlich aber wieder eingestellt worden. 2009 unterzeichneten Rosatom und die Republik Sacha (Jakutien) ein Abkommen zum Einsatz des ersten schwimmenden AKWs an der dortigen Küste.

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5 Kommentare

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  • A
    Andy

    Oh man! Darauf hab ich garkeine Lust! Warum müssen die denn sowas abgefahrenes bauen?? Das Meer wurde schon vor Amerika verseucht und jetzt noch mit Atomgift!!

  • C
    Chris

    "Zu Sowjetzeiten haben die Russen mit Atomsprengköpfen (!) Ölquellen geschlossen."

     

    Gibts dazu irgendwelche Quellen?

  • L
    Lucanus

    "Zu Sowjetzeiten haben die Russen mit Atomsprengköpfen (!) Ölquellen geschlossen."

    ... und im Golf von Mexiko wurde unlängst genau diese Lösung ernsthaft diskutiert. Daß sie nicht verwirklicht wurde lag im Wesentlichen an zwei Gründen: Man fürchtete schlechte Publicity (hatten die Russen früher nicht zu fürchten) und Bohrungen in der Tiefsee sind teuer - man wollte das Bohrloch nicht aufgeben (Auch das im weiten Sibirien nicht wirklich ein Argument. Man kann ja aus dem Vollen schöpfen!) Wo ist also der Unterschied zum ach so verantwortungsvollen Freien Unternehmertum???

  • V
    vic

    Ein AKW im Ozean.

    Ökonomisch sinnvoll, keine Frage.

    Radioaktiv verseuchte Pisse kann sofort, billig und ohne Zeugen abgelassen werden.

    Und im Falle des GAUs wird der gesamte Komplex einfach versenkt.

    Der Mensch ist des Menschen größter Feind.

  • P
    Peter

    Zu Sowjetzeiten haben die Russen mit Atomsprengköpfen (!) Ölquellen geschlossen.

    Mich wundert der leichtsinnige Umgang der russischen Regierung mit Atomkraftwerken also eher weniger.