piwik no script img

Vor OrtAlle gegen die Polizei

Nach der Massenschlägerei vom Samstag beklagen sich die jungen Anwohner über die Polizei. Nicht zum ersten Mal habe diese den Knüppel eingesetzt. Es seien immer dieselben Polizisten, die patrouillierten.

Eine Passage führt vom S-Bahnhof Neuwiedenthal weg über die Straße zu einem großen Einkaufszentrum. Dahinter ragen vereinzelt Hochhäuser in den Himmel. Viele Rentner passieren den flachen Einkaufskomplex. Nur wenige durchqueren ihn bis zum anderen Ende, wo sich ein kleiner, mit Bänken und Bäumen verschönerter Platz befindet. Gegenüber ist ein Call Shop.

"Hier ist es eigentlich immer ganz friedlich", sagt der Verkäufer des Call Shops. "Jeder kennt jeden und alle halten zusammen." Um ihn herum stehen drei Freunde, die zustimmend nicken. Sie sind jung - zwischen 18 und 27 Jahre alt - und haben alle das, was man einen Migrationshintergrund nennt. Mindestens einmal schon wurde jeder von ihnen "auf Verdacht" von der Polizei in Neuwiedenthal angehalten und auf Betäubungsmittel kontrolliert, sagen sie. Einer habe schon mit auf die Wache gehen müssen. Die Gesichter der Polizisten kenne man mittlerweile, es seien immer dieselben, die hier patrouillierten. Schon öfter sei es vorgekommen, dass jemand mit einem Knüppel geschlagen wurde.

"Abends gehe ich hier nicht gerne raus. Als Ausländer wird man sofort angehalten, geht man allein durch die Straße", sagt ein junger Mann mit Goldkettchen. "In mir kribbelts richtig, wenn ich Polizisten sehe."

Am Samstagabend ist eine solche Situation eskaliert. Als "ein Kollege" von zwei Polizisten festgehalten und geschlagen wird, mischen sich etwa 30 junge Männer ein, um dem Mann zu helfen.

"Wir halten hier zusammen", wiederholt der Verkäufer. Vor seinem Call Shop hat sich die Massenschlägerei abgespielt. Sein Bruder sei dabei von einem Polizisten geschubst und über den Asphalt gezogen worden. "Jedem hätten wir geholfen, egal wer verprügelt wird. Sowas macht man einfach nicht." Wieder nicken alle. Ausländerfeindlich seien diese Polizisten.

"Meine Eltern haben Angst, dass die Patrouillen jetzt mehr werden. Wir haben Angst vor der Rache der Polizisten", so der Verkäufer. Nun mischt sich einer seiner Freunde ein: "Wenigstens haben wir alles auf Video, damit die Leute sehen, wie die Polizei uns behandelt." Ein Haupttäter der Schlägerei wird noch gesucht.

Auf einer Bank, im Schatten der Baumkrone sitzt ein älterer Herr auf einen Stock gestützt. "Hier ist der Übeltäter", ruft jemand. Gerade haben zwei Männer den Shop verlassen, der eine zeigt auf den anderen. "Nee, ich war das", brüllt der Mann von seiner Bank aus und lacht laut. "Quatsch" - eine Frau schüttelt besorgt ihren mit einem Tuch verhüllten Kopf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

18 Kommentare

 / 
  • S
    Silke

    So läuft es in Deutschland!

     

    Hast Du falsch geparkt oder bist zu schnell gefahren, dann kommst du im schmlimmsten in den Knast wenn Du nicht bereit bist das Bußgeld zu bezahlen.

     

    Schlage einen deutschen Polizisten oder schieße Ihn in den Kopf dann bekommste Bewährung.

     

    Schade das die Polizei keine Videowagen wie in den USA besitzt. Das Video hätte ich gerne gesehen.

     

    Fakten zu Fall:

     

    Die Polizei war nicht zum Spaß da sondern wurde gerufen. Ist doch schön wenn die Polizei schnell anrückt. Ich kenne genug Fälle bei denen man vergeblich wartet. Der Mann hatte in der Öffentlichkeit vor anderen Passanten Frauen und Kindern uriniert weshalb er zurecht festgenommen wurde. Anfangs hatte er sich gewehrt und später die Polizisten provoziert. Das Video ist nachweislich geschnitten. Was da Fehlen mag?

     

    PS: Ich vergaß urinieren ist nur ein Kavaliersdelikt. Man kann auch sagen mittlerweile normaler Alltag. IRONIE OFF

  • VV
    @ von Adrian

    Weißt Du was? Die Beamten dort kennen die "Klientel" und wenn jemand eine Vorstrafe wegen Gewaltverbrechen hat, dann wissen die das. Das nennt man professionell.

     

    Sofern auch Du schon Leute abngezogen und verprügelt hast und dann beim öffentlichen Urinieren erwischt würdest, tut mir Leid, die Gelegenheit zu lernen was Benehmen ist würde ich Dir auch nicht nehmen wollen und Dir, wenn Du frech würdest nochmal eins mit dem Gummiknüppel geben, bis Du es begriffen hättest, dass man unbescholtene Bürger in Ruhe zu lassen hat oder sonst von der Gesellschaft da hin geprügelt wird, wo man hingehört.

    Wenn schon die Eltern solcher Typen nicht dafür sorgen, dann tut es der Staat (wir, nicht DU)

     

    Alles klar?

  • A
    Adrian

    diese kommentare hier....ich frage mich, was würde passieren, wenn die (meisten) der kommentatoren hier ebenfalls wegen urinierens ins gebüsch mit pfefferspray und schlägen malträtiert werden würde. hat sich jemand eigentlich der hier selbsternannten weltproblemerkenner das video eigentlich angeschaut?? die versuchen sogar noch zu deeaskalieren, während der polizeibeamter noch mit der aufforderung "komm doch her, du feigling!" auch noch zu gewalt aufruft! schade um die verletzten, aber: SELBER SCHULD!! reden statt schlagen, das wäre doch mal was....wollen wir wieder die leberwurst taktik der sechziger wiederbeleben? gehts noch???

     

    Danke taz das sie weiter differenziert und nicht polemisch und parteiisch sich der sache annehmen.

  • B
    Ben

    Wenn sich Frau Baumann kritisch und differenziert über Sekten äußern möchte, geht sie wahrscheinlich auch zu Scientology, um sich zu informieren, und zwar ausschließlich. Dieser Artikel ist nur ein weiterer Beleg dafür wie nieveaulos die taz ist. Einfältiger und naiver gehts nicht mehr.

  • P
    peter

    was hier wieder für kommentare zu lesen sind. da wird ein mann wegen pinkelns in der öffentlichkeit festgenommen und liegt schon zu beginn des videos auf dem boden. dann wird er während des videos noch mind. 8mal mit einem metallschlagstock geschlagen. und dann schreiben hier wieder irgendwelche trolls, dass das schon ok sei, weil die da ja eh alle kriminelle sind. was ist mit euch los? der typ am boden war sicher keine gefahr für die cops und es hat bestimmt ein dutzend andere verhältnismäßigere möglichkeiten gegeben, als ihn mit einem metallschlagstock 6-7 mal mit voller wucht zu schlagen. wer sowas macht, hat nicht das recht eine waffe zu tragen und "für recht und ordnung" zu sorgen. wer sowas macht gehört wegen gefährlicher körperverletzung verurteilt und fristlos gekündigt!

  • T
    Tom

    Wieder einmal wird deutlich, welch Klientel sich durch die "faschistoide" Polizei in ihren Rechten eingeschränkt fühlt. Es ist die selbe Klientel, die sich das Recht genommen hat Wehrlose "abzuziehen" und in den Selbstmord zu treiben.

     

    Ich hoffe auf baldige Genesung der Beamten und zukünftige kompromisslosere Einsätze der Polizei. Gerne auch mehrmals die Woche, bis auch der letzte "Passant" begriffen hat, das es nur EINEN Staat und nur EIN Wertesystem gibt, in dem für rechtsfreie Räume kein Platz ist.

  • A
    A.Hamann

    Siehst Du liebe TAZ, wie die Leute auf diese "Bild-Zeitung in Invers" Artikel reagieren?

    Von purer Begeisterung über die Artikel und Kommentare zum beinahe Tod eines vermutlich nicht vorbestraften Polizisten kann wohl nicht die Rede sein.

    Ich denke Sie sollten die Kommentare der Leser zur Selbstkritik nutzen!

    Wie ich in einem von Ihnen zensierten und folglich nicht veröffentlichen Kommentar bereits sagte:

    TAZ und Bild sind ab jetzt für mich zwei Seiten derselben werlosen Medaille!

    Abermals Glückwunsch!

  • P
    Peter

    Natürlich sind das Revierkämpfe. Das eingewanderte Prekariat versucht rechtsfreie Räume zu etablieren, so nach dem Motto: "Verschwindet, das ist unser Viertel!" Es sind genau die Typen die jede Woche wg. Messerstechereien, Körperverletzung oder Raubdelikten in Erscheinung treten.

  • J
    Jan

    Unfassbar...wie kann man nur derart ideologisch verblendet berichten? Ich kann den Kommentar von "Mal" nur unterstreichen.

     

    Die Realitaet sieht doch wirklich anders aus, und davon kann sich die Autorin sicherlich selbst ueberzeugen, wenn sie einmal in Begleitung ihrer Freundinnen zu einem gemuetlichen Spaziergang in diesem Kleinod des sozialen Zusammenhalts und der warmherzigen Menschlichkeit nach Anbruch der Dunkelheit aufbricht.

  • J
    JoelMeir

    Habe selbst dort, 3 Jahre gewohnt.

     

    Nachts ist es ruhig unter der Woche. Am Wochenende kommt es immer wiéder zu kritischen Situationen aufgrund des Sozialen Brennpunktes und dem gesteigerten Alkohol-Pegels.

     

    Neuwiedenthal ist das Wilhelmsburg von früher.

     

    Der Artikel gibt einen Realistischen Blick auf die dortige Ausweglose Situation.

  • M
    Markus

    Leider ist es offensichtlich nicht mehr möglich vernünfig miteinander umzugehen. Wenn ich mir das Video ansehe kann ich mir schon vorstellen wie der "normale Umgang" zwischen Polizei und Anwohner abläuft. Misstrauen und Angst gibt es auf beiden Seiten. Das dann gewisse Situationen eskalieren ist erst einmal menschlich. Das die beiden Polizisten in dieser Situation vollkommen überfordert waren ist eindeutig zu sehen. Was dieser Stadtteil braucht sind Polizisten die "ihre Leute" kennen und die selbst bekannt und akzeptiert sind. Erst wenn solch eine Struktur von der Polizeiführung geschaffen wird kann es eine Chance auf einen Dialog geben die gegenseitigen Respekt schafft. Dann werden auch notwendige Maßnahmen der Polizei akzeptiert.

    Solange aber die Polizeiführung mit Härte versucht das "Gesetz zu vertreten" wird es immer wieder solche und ähnliche Situationen geben

  • M
    Mal

    Ja, schluchzi!

    So ein malerisches, pittoreskes Viertel, wo die Anwohner schelmisch zusammenhalten, gegen die bösen Büttel der kalten Obrigkeit.

    Sicher fand der 1997 vom Haupttäter durch Abziehen und Erpressung in den Selbstmord getriebene 17-jährige den "Zusammenhalt" im Viertel auch ganz großartig. Und diese warme Menschlichkeit erst. Beim Gedanken, was er angerichtet hätte, wäre der Täter durch eine Anzeige seinerseits zu Haftstrafe verurteilt worden und so aus der warmen Familiarität des Viertels entfernt worden, hat er es einfach nicht mehr ausgehalten und sich vor den Zug geschmissen.

    So etwa, gell, taz?

     

    Die taz fällt auch wirklich auf jede Selbstglorifizierung irgendwelcher debilen Kleingauner und jedes dumme Klischee rein.Solangs nur irgendwie nach "links" riecht, egal wie faschistisch das dahinterliegende auch tatsächlich sein mag.

  • B
    broxx

    Ach wie süß! Jetzt sind sie wieder unschuldig...die TAZ ist echt zu doof! In diesem Vietel ist nur Gewalt und Kriminalität. Aber wehe jemand setzt sich (oder einfach nur das Gesetz?) durch. Dann isses sofort Polizeigewalt. Einfach mal abends alleine durchs Viertel ziehen und gucken was passiert...

  • S
    Schreiber

    Komisch, Frauen und Mädchen kommen garnicht vor. Was würde passieren wenn ein Mädchen mal etwas gegen diese Machobanden offen sagen würde? Würde sie dann auch noch beschützt werden? "Wir halten hier alle zusammen" halte ich für ein Gerücht.Oft genug müssen Polizisten Einsätze fahren wenn es um Gewalt gegen Frauen geht.

  • H
    Hatem

    Der Knüppeleinsatz war m.E. gerechtfertigt, da der festgenommene sich wehrte. Natürlich sieht man das auf dem Video nicht. Das Video stammt ja auch von wem? Genau: von einem der Angreifer.

    Der Knüppeleinsatz war auch nicht übertrieben hart.

     

    Und natürlich sind es immer dieselben Beamten. Es ist immer dieselbe gegend und dieselbe Wache. Was ist daran ungewöhnlich?

     

    Was hier geschieht: Junge Männer versuchen rechtsfreie Räume zu schaffen.

     

    Der mutmaßliche Haupttäter ist mehrfach vorbestraft und hat nach Zeugenberichten mit Anlauf einem auf dem Boden liegenden Polizisten gegen den Kopf getreten. Der Polizist erlitt einen Schädelbruch.

    Wie kann man so etwas rechtfertigen?

     

    Ich wünsche den verletzten Polizisten schnelle und vollständige Besserung.

     

    Hatem

  • A
    Anonym

    @Gegen Gewalt

     

    Tut mir leid das ich so kritisch sein muss, aber du kannst entweder nicht lesen oder denken.

    Wieder ein ahnungloses Opfer der Konsumgesellschaft,die durch Medien und Staat mit Hass auf die Ausländer aufgezogen worden sind.

    Wenn schon mehrere Leute von diesen Polizisten geschlagen worden sind, wenn gezielt Ausländer rausgefischt werden nur um ihnen irgendetwas nachzustellen und die Statistiken der Migrantenkriminalität in die Höhe zu treiben, nenne ich es Faschismus, viele andere aber leider normal und legetim.

     

     

     

     

    Zu dem Artikel, ich finde ihn ausgesprochen gut und nach den Stiel den ich von Taz kenne.

    Die Kommentare alleine machen die Lage dieser Menschen erst recht deutlich, die Angst vor dem Freund und Helfer haben und nocheinmal @Gegen Gewalt " Was geht in deinen kranken gehir vorsich, dass du der Meinug bist noch mehr Patroullien müssen kommen??? Mein Gott wach endlich auf!!"

  • GG
    Gegen Gewalt

    Mein Mitgefühl an die verletzten Beamten. Hoffentlich werden die Täter zu langen Haftstrafen wegen versuchten Mord verurteilt. Und ich als Bürger diese Landes hoffe das die Polizei dort jetzt vermehrt Streife gehen wird. Da dürfen jetzt keine Kosten und Mühen gescheut werden!

  • HK
    Hendrik Kraft

    Vielen Dank für den Artikel. Leider sind thematische Auseinandersetzungen wie diese, denen auch Recherche zugrunde liegt, in der gegenwärtigen Medienlandschaft eine Seltenheit. Kein Wunder, dass in den Kommentarspalten unter den einseitigen Artikeln der großen Medienhäuser die Rufe nach dem Schusswaffengebrauch laut werden. Das ist das hilflose Ergebnis medialer Schwarz-Weiß-Malerei und den plumpen Rufen nach Law-and-Order.

    Viele Grüße

    Hendrik Kraft

    http://sibiuaner.de