Vor Jahrestag von Germanwings-Tragödie: Angehörige erneuern Kritik an Luftfahrtamt
Montag vor zehn Jahren ließ ein Pilot den Germanwings-Flug 4U9525 in den Alpen abstürzen. Angehörige der Opfer fordern weiter Entschädigung.

Der Co-Pilot Andreas Lubitz sei während seiner Ausbildung in den USA wegen einer Depression zusammengebrochen und nach Deutschland zurückgekehrt, sagte Reiter. Dort habe er später ein Gutachten erhalten, mit dem er seine Ausbildung beenden konnte. „Bei den regelmäßigen Untersuchungen von Piloten spielte die psychologische Vorerkrankung offenbar keine Rolle“, sagte der Anwalt.
Die Hinterbliebenen hatten zunächst gegen Lufthansa geklagt, waren aber abgewiesen worden. Zuständig sei das Luftfahrt-Bundesamt, das die Fliegerärzte kontrolliere, lautete die Begründung. „Eine ungewöhnliche Rechtsauffassung“, sagte Giemulla. Er schließe nicht aus, dass das Gericht am Ende Lufthansa für zuständig erkläre. „Das wäre grotesk“, sagte er. Dann müsse sich der Bundesgerichtshof damit befassen.
Letztlich trage auch die damalige Bundesregierung einen Teil der Verantwortung, „weil sie ein europäisches Gesetz unzureichend umgesetzt hat“, sagte Reiter. „Wenn es schon vor der Katastrophe ordnungsgemäß umgesetzt worden wäre, hätte bei den medizinischen Untersuchungen auf die Vorerkrankungen eingegangen werden können.“
Kritik an Höhe der Entschädigung
Das Luftverkehrsgesetz wurde schließlich 2016, ein Jahr nach dem Absturz, geändert. Seitdem sind Luftfahrtunternehmen verpflichtet, vor Dienstbeginn zu prüfen, ob Flugpersonal unter dem Einfluss von Medikamenten, Alkohol oder anderen psychoaktiven Substanzen steht. Zudem wurde beim Luftfahrt-Bundesamt eine elektronische Datenbank über flugmedizinische Untersuchungen und Beurteilungen eingerichtet.
Eine Düsseldorfer Kanzlei vertritt etwa 30 Angehörige, die laut Reiter eine „Feststellung der Verantwortlichkeit“ sowie weitere Schmerzensgeldzahlungen zur Kompensation und Linderung des durch den Absturz verursachten Leids erreichen wollen. Die Lufthansa hatte den Angehörigen Entschädigungen angeboten, die von vielen als zu gering erachtet wurden. Mehrere Angehörige erreichten später höhere Entschädigungszahlungen, deren Summen nicht genannt wurden.
„Wir fordern deutlich mehr als das, was angeboten wurde“, sagte Reiter. „Auch wenn Geld niemals ein verlorenes Menschenleben aufwiegen kann, sehen wir in der fairen Begleichung bestehender Ansprüche eine wichtige Geste desjenigen, der für entstandenes Leid und Schmerzen verantwortlich ist“, erklärt die Kanzlei auf ihrer Website.
Laut Giemulla ist mit einer mündlichen Verhandlung in der ersten Jahreshälfte zu rechnen. Verhandlungen zwischen der Kanzlei und dem Verkehrsministerium hätten bisher noch nicht zu einer einvernehmlichen Lösung geführt.
Beim Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März 2015 in den französischen Alpen waren alle 150 Menschen an Bord ums Leben gekommen, unter ihnen 72 Deutsche. Zu ihnen zählten auch 16 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen eines Gymnasiums im nordrhein-westfälischen Haltern am See.
Das Flugzeug war in Barcelona gestartet und auf dem Weg nach Düsseldorf. Lubitz hatte die Kabinentür von innen verriegelt, als er allein im Cockpit war, und den Sinkflug eingeleitet. Das Flugzeug raste mit 700 Stundenkilometern gegen eine Felswand.
Am Montag findet in Le Vernet in der Nähe des Absturzortes eine Gedenkfeier statt, zu der etwa 400 Menschen erwartet werden, unter ihnen viele Angehörige.
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