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Vonovia übernimmt Deutsche WohnenÜbermacht gegen Mie­te­r

Nach der Übernahme der Deutschen Wohnen fürchten Mieter eine noch aggresivere Konzernstrategie. Enteignung wird derweil weiter ausgebremst.

Fangt den Hai Foto: dpa

Berlin taz | Die endgültige Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia ist besiegelt. Auf Hauptversammlungen am Donnerstag und Freitag in Berlin und Bochum stimmten die Ak­tio­nä­r:in­nen mit übergroßer Mehrheit für die Annahme eines „Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages“. Der unterstellt die Deutsche Wohnen vollständig den Weisungen des Vonovia-Vorstandes. Mit etwa einer halben Million Wohnungen ist Vonovia damit der größte private Wohnungskonzern des Landes und der größte private Vermieter Berlins.

Die beiden Konzerne hatten ihre Fusion 2021 beschlossen. Aus Steuerspargründen hatte Vonovia jedoch nur knapp 90 Prozent der Anteile übernommen. Jorim Gerrard von der NGO Finanzwende spricht von einem „dreisten Steuertrick, durch den der Allgemeinheit mindestens eine Milliarde Euro entgeht“. Die Bundesregierung sei aufgefordert, derartige „Schlupflöcher“ zu schließen – insbesondere vor dem Hintergrund von Sparmaßnahmen.

Laut Jasmina Rühl, Sprecherin vom Berliner Bündnis gegen Vonovia & Co, versucht Vonovia „mit allen Mitteln, die Mieten zu erhöhen“. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern die Mieten massenweise um 15 Prozent angehoben – trotz einer vorherigen Zusage im Wohnungsbündnis, sich auf 11 Prozent zu beschränken.

Das Bündnis gegen Vonovia & Co kritisiert die Praxis, Mieterhöhungen mit Merkmalen zu begründen, die im Mietspiegel überhaupt nicht vorgesehen sind, etwa einer guten ÖPNV-Anbindung. Auch gebe es teils horrende Nebenkostenforderungen. Über einen vom Konzern kontrollierten Wärmezulieferer würde Vonovia nicht gerechtfertigte Extragewinne erzielen, heißt es.

Vergangene Woche hatte Vonovia-Chef Rolf Buch den Berliner Mietspiegel als „getürkt“ bezeichnet. Dem Tagesspiegel sagte er, dass „sich die im Mietspiegel dargestellte Mietentwicklung von den Neuvertragsmieten auf den Portalen immer weiter“ abkopple. Die Senatsverwaltung wies den Vorwurf des Betrugs zurück. Der Berliner Mieterverein wies darauf hin, dass der Mietspiegel nicht dazu diene, die Entwicklung der Marktmieten abzubilden.

Erster Kandidat für Enteignungen

Mit mehr als 130.000 Wohnungen in Berlin ist Vonovia der erste Kandidat für eine Vergesellschaftung, wie sie der erfolgreiche Volksentscheid 2021 vorsieht. Doch die Verschleppung der Umsetzung durch den schwarz-roten Senat geht weiter. Dieser hat sich lediglich vorgenommen, ein Vergesellschaftungsrahmengesetz zu erarbeiten.

Laut Finanzverwaltung soll demnächst ein Gutachten zur Umsetzung des Gesetzes in Auftrag gegeben werden. Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen kritisierte das: „In Berlin wird gerade an allen Ecken und Enden gespart und der CDU fällt nichts Besseres ein, als Steuergelder für ein sinnloses Gutachten aus dem Fenster zu werfen.“

Selbst die SPD gibt sich mittlerweile ungeduldig. Fraktionschef Raed Saleh drängt auf einen Entwurf des Rahmengesetzes bis zum Sommer. Andernfalls bringe seine Fraktion einen eigenen Entwurf ein.

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2 Kommentare

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  • Ich wundere mich hier immer über die Naivität derjenigen, die glauben, mit Enteignungen könne man Mietern helfen. Allenfalls denjenigen, die schon eine Wohnung haben. Aber auch die sind nicht gegen Erhöhungen gefeit.



    Jeder Versuch einer Enteignung wird vor dem Bundesverfassungsgericht enden. Der Volkswille gilt dort nicht unbedingt als Argument. Man muss nämlich nachweisen, dass es außer der Enteignung kein milderes Mittel gibt. Also weitere Wohnungen bauen (lassen), Baufelder ausweisen, etc. Das wird so lange schiefgehen, wie es unbebaute, riesige Brachen mitten in der Stadt und in den Randgebieten gibt. Erst dann könnte (!!!) eine kleine Chance bestehen. Aber eine Wette würde ich darauf nicht abschließen.

  • Mit schwar-rot ist hier nur mit weiterer Verschleppung zu rechnen. Giffey hat ihrer Zeit als Bürgermeisterin freiheraus die Umsetzung des mehrheitlich entschiedenen Volksentscheid, der auch von der Mehrheit SPD Basis mitgetragen wurde, umzusetzen, ganz so, als hätte die Bevölkerung gar nicht abgestimmt. Einfach nur dreist.



    Jetzt, in einer Koalition mit der CDU, die übrigens gerade in Form von Merz dabei ist, auf Bundesebene die ach so robuste Brandmauer gegen die Faschisten der AFD eigenhändig einzureißen, braucht die kollektive Berliner Mieterschaft von seitens der SPD hier kein ernst zunehmendes Entgegenkommen erwarten.



    Die Unfähigkeit und der Unwillen der Berliner Regierungskoalition, den sozialen Wohnungsbau und die Machteinhegung monopolistischer Wohngiganten voranzutreiben, ist allumfassend belegt.