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Von Tennisschlägern und Gitarren

■ Yannick Noah inszeniert Sport und Spektakel/ Die einen schaufeln Bälle, die anderen Geld für einen guten Zweck/ Steffi Graf ist die erste Frau, die „offiziell“ gegen einen Mann verlieren darf

Time ist money, weiß der Mensch der Moderne, auch beim Divertimento. Das Volk giert nach Neuem, und berufene Köpfe haben sich jetzt in Paris denselben zerbrochen, wie denn Sport und Spektakel zeitsparend ans Publikum zu bringen sind.

Vorreiter der neuen Welle ist einmal mehr das französische Nationaldenkmal. Yannick Noah, Ex-Tennis-As, Ex-Daviscup-Kapitän, Neu- Sänger und Radiomoderator, hatte gerufen, und noch aktive Racket- Schwinger, Veteranen und allerlei Promis aus dem französischen Showbiz waren ins Palais Omnisport geeilt zum ersten „Challenge Naf Naf“, einer kombinierten Veranstaltung aus Tennis und Rockkonzert.

Sogenannte Exhibitions kennt man ja bereits seit einiger Zeit. Schaukämpfe, bei denen zumeist wenig Sport, aber um so mehr Jux und Dollerei gefragt sind. In Paris reduzierte man die oft so ermüdend langen Ballwechsel denn auch konsequent auf einen Tiebreak. Vier Damen und Herren mußten in jeweils zwei Halbfinals um das Endspielticket „fighten“ — und dieses Finale, ausgetragen über zehn Punkte, brachte denn tatsächlich noch etwas Neues: Die Premiere Mann gegen Frau, und das auch noch auf einem — dies dürfte ebenfalls nicht oft zu sehen sein — blauen Sandplatz.

Solcherart mit Rarem verwöhnt, sang das Volk von Anfang an begeistert bei der Vorstellung der modernen Gladiatoren Ivanisevic , McEnroe, Muster (für den verletzten Becker) und Noah mit. Den weiblichen Gegenpart im Geschlechterkampf mit Filzkugel boten Jennifer Capriati, Nathalie Tauziat, Shaun Stafford und unsere Brühler — oder sollte man besser sagen Boca Ratoner? — Tennisamazone Steffi Graf.

Selbige hat ja nach der schwerwiegenden Entscheidung, welcher Nudelmarke sie ihr Vertrauen schenken will, offenbar wieder zum rechten Biß gefunden, denn nach dem x-ten Titel beim Lufthansa-Cup in Berlin wird sie ihren Enkeln dereinst verkünden können, als erste Dame „offiziell“ gegen das starke Geschlecht an der Grundlinie gestanden zu haben.

Doch auch vorher nahm das zeitschonende „Delectare“ bereits erbarmungslos seinen Lauf. „BicMac“ John McEnroe und Goran Ivanisevic empfanden so viel Respekt füreinander, daß sie sich zeitweilig die Bälle im Knien übers Netz zuschaufelten.

John McEnroes neue Großherzigkeit ging gar so weit, daß er Ilie Nastase im Laufe des Spiels seinen Tennisschläger anbot, eine Geste, die wir sonst in ihrer Schlichtheit und Größe nur bei Jimmy Connors und — in der jüngsten Vergangenheit — beim sittlich gereiften Boris B. ausmachen durften.

Liebe und Freude auf dem Centre Court, da wollte das Publikum nicht zurückstehen. Die La Ola tobte zu Bruce Springsteens „Born in the USA“ durch die Halle, Paris blieb fit.

Doch der Sport war — wie bereits angedeutet — nur ein Bestandteil dieses heiteren Abendvergnügens. Weiß man doch, daß viele der im Umgang mit dem gelben Bällchen Bewanderten im stillen Kämmerlein eine heimliche Vorliebe für die Musik pflegen. So tauschten „Yannick“ und Mac the Mouth schnell das Outfit — und zogen andere Saiten auf: Noah ließ nach der Bespannung seines Rackets die Stimmbänder vibrieren, McEnroe bewies, daß er mit seinem „Händchen“ auch filigran die E-Gitarre zu zupfen versteht. Unterstützend griffen danach auch noch Mats Wilander, Pat Cash, Ronald Agenor und Vitas Gerulaitis ins Geschehen ein.

Lediglich der an den Drums angekündigte Jim Courier ward nicht gesehen. Dafür aber noch allerlei Illustres aus Frankreichs Musikbusiness: Julien Clerc, Michael Sardou und Murray Head übten sich im Duett mit Allroundtalent Noah bis morgens um halb eins.

Nachtrag: Ein Teil des Erlöses der illustren Soirée wird an die von Yannick Noah mitgegründete Kinderhilfsorganisation „Les Enfants de la Terre“ abgeführt. Ach ja, und die Hierarchien der Geschlechter blieben übrigens bestehen: Yannick Noah, wer sonst, gewann den ersten „Challenge Naf Naf“ 10:3 gegen Steffi Graf. Aber das war eigentlich gar nicht so wichtig an diesem Abend. André L'Heureux

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