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■ Das türkische Militär und die PKK:Von Sinnen

Jubelnd geben türkische Politiker Interviews, nachdem das türkische Fernsehen die Leichen toter PKK- Partisanen zeigte. Nach der bislang schwersten Attacke kurdischer Partisanen auf eine Militärkaserne, in deren Gefolge über 200 Menschen starben, peitschen die türkischen Medien die Bevölkerung mit hysterischer Kriegsberichterstattung ein. Vom „totalen Krieg“, von „Ausmerzen“, von „Vernichten“ ist die Rede. Die herrschenden Ideologen verhehlen nicht, wie ihrer Meinung nach die Kurdenfrage gelöst werden muß. Hat man erst einmal die rund 10.000 Partisanen der PKK, die seit 1984 einen bewaffneten Kampf gegen die türkische Armee führen, erledigt, wird die Ära des ewigen Friedens beginnen.

Doch die Rechnung ist ohne den Wirt gemacht. Die türkischen Politiker sind so von Sinnen, daß sie das Abc der Politik verlernt haben. Die PKK, noch 1984 eine unbedeutende Guerillagruppierung, die durch einzelne Terrorakte hervortrat, genießt breite politische Unterstützung seitens der Kurden, die im Südosten der Türkei leben. Die PKK spielt längst eine politische Führungsrolle in der Region. Frieden in Türkisch-Kurdistan kann es nur geben, wenn es Frieden mit der PKK gibt.

Doch die Regierung Demirel hat den dreckigen Krieg längst den Generälen überlassen. Um der PKK den Garaus zu machen, werden „feindliche“ Dörfer vom Militär angesteckt und die kurdische Stadt Sirnak dem Erdboden gleichgemacht. Systematisch werden die Kurden, die in den Grenzregionen leben, vertrieben. Doch die Hoffnung des Regimes, daß die durch Terror Vertriebenen im Westen Anatoliens ihre kurdische Identität aufgeben werden und der PKK den Rücken kehren, sind trügerisch. Statt dessen treiben die herrschenden Politiker den Krieg, der bislang im wesentlichen auf die kurdischen Regionen im Südosten beschränkt war, westwärts. Insofern ist die Rede vom „totalen Krieg“ berechtigt. Ein Schreckensszenario: ein Krieg, der die ganze Gesellschaft der Türkei erfaßt. Istanbul als Groß-Sarajevo: ein Bürgerkrieg des kurdischen Ahmet mit dem türkischen Ahmet in den Gassen Istanbuls. Solche Zustände würden die putscherfahrenen türkischen Generäle beglücken. Die Gelegenheit, um der ohnehin dahinsiechenden türkischen Demokratie den Todesstoß zu versetzen. Ömer Erzeren, Istanbul

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