: Von LeserIn zu Leser
■ betr.: "Die Mission gegen die Armen", taz vom 2.12.91 und "Wie soll diese Rechnung aufgehen?", taz vom 12.12.91
betr.: „Die Mission gegen die Armen“ von Susanne Heim, taz vom 2.12.91 und Leserbrief von Hermann Meer: „Wie soll diese Rechnung aufgehen?“,
taz vom 12.12.91
Die Rechnung des Herrn Meer aus Kamp-Lintfort beängstigt mich. Sie lautet im mathematisch trocken ausgedrückten Klartext: Die Reichen machen mit ihrem Reichtum die Erde kaputt. Weil sie so reich sind, machen sie auch Familienplanung. Diesem Reichtum verdanken die vielen Kinder der Armen den Hungertod. Weil Armut und Ausbeutung dumm macht, sollen die Armen die Bevölkerungsplanung der Reichen erdulden. Und das Fazit des Herrn Meer lautet: Weil der Reichtum die Welt kaputtmacht, dürfen sich die Armen nicht mehr fortpflanzen. Das Erbgesundheitsgesetz sah für solche Sozialfälle die „Unfruchtbarmachung“ vor. So toll haben wir also unsere Geschichte aufgearbeitet, daß wir jetzt auch noch — aus ökologischen Gründen versteht sich — die Armut auf den Index der Erbkrankheiten erheben. Dazu fällt mir nichts mehr ein. Christian Sternberg,
(West-)Berlin
Über den Artikel von Susanne Heim war ich hocherfreut, wagt sie es doch als eine der wenigen, das von rechts bis links scheinbar unangefochtene Dogma von der Bevölkerungsexplosion als Urgrund allen Weltübels zu relativieren. Da können Leserbriefe wie der von Hermann Meer nicht ausbleiben, der seine männliche Angst vor der „Wucht der Gebärmutter“ als Sprengsatz des Globus in Worte wie „ökologisches Verantwortungsbewußtsein“ kleidet.
Nicht daß ich das tatsächliche Problem der Überbevölkerung wegpolemisieren möchte, es muß aber in den entsprechenden Zusammenhang gestellt und als Symptom oder Produkt von 500jährigen Plünderungsstrukturen gesehen werden. Wenn „mann“ von einem Weltbild ausgeht, in dem es selbstverständlich ist, daß einige wenige Weiße die Ressourcen der Welt ausplündern und durch ihren Konsumwahn irreparable globale Zerstörung bewirken, dann ist es verständlich, daß der „Sprengstoff Mensch“ (hier ist der Nicht-Weiße gemeint) als Gefahrenquelle Nummer 1 wie gerufen kommt. Das Gute daran ist, daß auch die „Daten und Fakten“ dafür längst abgesichert sind.
Gibt es eigentlich Daten und Fakten dafür, wie hoch die Überlebenschance unseres Planeten wäre, wenn wir BewohnerInnen der westlichen Industrienationen einen Rohstoffverbrauch hätten, der uns — gemessen am Pro-Kopf-Anteil der Weltbevölkerung — zustünde? Ich glaube nicht, denn das zu erforschen liegt nicht in unserem Interesse.
Gibt es weitere Daten und Fakten dafür, wie die Welternährungssituation und der ökologische Zustand der Welt aussähe, wenn die übervölkerten Länder die Möglichkeit hätten, bedarfsorientierte Landwirtschaft zu betreiben, anstatt billige Exportprodukte in Monokultur für den Weltmarkt anzubauen, um mit den erwirtschafteten Devisen ihre Schulden zu bedienen?
Der aufgeklärte Ökobewußte —wie zum Beispiel Hermann Meer— wird wahrscheinlich unsere ungezügelte Verschwendungssucht und unseren industriellen Wachstumswahnsinn als Zerstörung verursachend anerkennen. Wenn es aber um praktische Konsequenzen geht, wird meist die Krankheitsursache mit dem Symptom verwechselt. Renate Söhner, Ludwigsburg
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