Von Gurke bis Zögern: STINT

■ Werden, Wachsen und Veränderungen von „Stint. Literatur aus Bremen“. Vom Selbstdarstellungsperiodikum zum Fundort

Stint: (niederd. gestutzt). Der in Schwärmen lebende gemeine S., Stinklachs ist als „Seestint“ an vielen Küsten N-Europas und des östlichen Amerika bekannt; er wird bis 26 cm lang. Als „Flußstint“ kommt er auch in Flußmündungen und Landseen vor, wo er kleiner bleibt. Der S. ist am Rücken blaugrün, an den Seiten und am Bauch hellgelb bis rötlich infolge des durchschimmernden Fleisches, das einen eigenartigen Geruch nach faulender Gurke hat. Zur Laichzeit (Frühjahr) steigt der S. in Flüsse ein. (dtv -Lexikon)

Einer von denen, die da im Cafe Grün herumsaßen, der Flußstinte auch aus der Weser angelt, hatte Stint vorgeschlagen. Als Namen für die Zeitschrift für „Literatur aus Bremen“, die einige von denen machen wollten, die da im Cafe Grün immer so mal saßen. Stint schlug ein und die anderen Vorschläge (AG Weser, Fargozyt und Windmühle) durch Kürze um Längen. Daß es außerdem noch

ein englisches Verb ist und zögern, innehalten heißt und sich für Literatur und deren hopefully ein bißchen innehaltende Produktion eignet, kam hinzu.

Genauso wie etliche Autoren und Vorstellungen, was man mit diesem faulende-Gurke-Geruchs-Produkt eigentlich wollte. Stint Nr. 1 erschien im Juni 1987 und diente vornehmlich der literarischen Selbstdarstellung der Herausgeber Gosau, Osmers, Schmalz, Sobing und Tönsmeier. Alles Literaturadepten, die eigentlich was anderes sind: Einer dient der dafür zuständigen Senatorin als Umweltschutzingenieur und hat einen Hang zu allem, was mit Arno Schmidt zusammenhängt (Jan Osmers). Einer war Krankenpfleger, Lagerarbeiter, Anstreicher, Aushilfskellner, Jazz-Rock-Saxophonist, Verwaltungsangestellter (u.a.) und hat einen Hang zu Kurzgeschichten und zur Aquaristik (Dietrich Tönsmeier). Einer war Speditionskaufmann und ist Inhaber

des Cafe Grün und „Dichter“ und musikalisch-rezitativer Zelebrator gottvoller Heldeneposfälschungen und Alliterationsorgien (Max Schmalz, bürgerlich: Jürgen Schweigel).

Inzwischen erschien Stint Nr.4 (Nov.88) und ist angereichert mit reproduzierten Objekten von Heini Linkshänder und Comics von Christian Gorny - auf dem Weg vom Selbstveröffentlichungsorgan zum Versammlungsort möglichst buntscheckiger Fundstücke aus Literatur und Kunst (so demnächst der Untertitel).

Von den 21 Texten des Stint Nr. 4, so rechnete Bernd Gosau auf der letzten Lesung im Cafe Ambiente vor, stammen nur noch fünf von den Herausgebern. Die Redaktion lehnt auch Manuskripte aus den eigenen Reihen ab, erläuterte Gosau im Gespräch ihre Arbeitsweise. Einer, Jürgen Sobing, ist deshalb ausgeschieden, zwei, Peer Meter und Hans Peter Renz, sind seit dem Heft 2

dazugekommen. Vielfältig sollen die Hefte sein. Sie sollen, so immer noch Gosau, enthalten: einen Berühmten (wie Walter Kempowski), einen Toten ( Frido Lampe oder den bremischen homme de lettres Karl Lerbs mit Text und kleiner Einführung), einen, der über Bremen schreibt (von Heine bis Gustafsson), einen im Handwerk Bewährten( wie Michael Augustin als Aphoristiker) und einen Anfänger.

Entsprechend bunt gemischte Sortierungen pflegt die Gruppe auf ihren Lesungen, zuletzt im Ambiente. Es reicht von der dem sicher-kunstvollen „Well, well, well“ Sujata Bhatts bis zur Erstveröffentlichung Sabine Heddingas (Heute 28.7.88), deren Metaprngeflecht ihr Thema, den Zusammenhang von Würgen und Erotik/Begierde, mal verstellt, mal zeigt: Am Strand. Frauen stricken/häkeln nackt/ bei Sonnenschein und Männer/ tragen Koteletten (oder Koteletts)/ auf und ab - vor ihren Brüsten...

U.S.