Vom Zustand der bemannten Raumfahrt: 3, 2, 1 … Hallo? Noch jemand da?
Die Explosion der Raumfähre "Challenger" war die größte Katastrophe der US-Raumfahrt. Wie steht es, 25 Jahre später, um die hochfliegenden Pläne der himmelsstürmenden Nationen?
USA: Das Ende der großen Raketen
Am Anfang war das Kräftemessen mit der Sowjetunion. Und ihren Sputniks. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Sowjets zunächst die Führung übernommen. Im Mai 1961 kündigte in Washington US-Präsident John F. Kennedy an, sein Land werde einen Menschen auf den Mond schicken. Ein halbes Jahrhundert später hat jener erste Mensch auf dem Mond, Neil Armstrong, im vergangenen Frühjahr gegen die "verheerenden" Raumfahrtpläne des neuen Präsidenten Barack Obama protestiert. Wenige Tage danach versicherte Präsident Obama, "niemand" befürworte stärker als er die bemannte Raumfahrt. Bloß müsse die heute anders aussehen, "smarter". Und stärker von der Privatwirtschaft finanziert. Mitte der 30er Jahre dieses Jahrhunderts sollen Menschen bis auf den Mars gelangen. Der Landetermin liegt zwar lange nach seinem eigenen Amtsende. Doch der Präsident versicherte vor einem handverlesenen Publikum in Florida: "Ich werde zuschauen."
Nach Raumflug Nummer STS-135, geplant am 28. Juni, ist nun vorerst Schluss mit der bemannten US-Raumfahrt. Anschließend kommen US-Austronauten nur noch per Mitfluggelegenheiten zur internationalen Station ISS. Das künftige US-Raumfahrtprogramm wird bescheidener. Schlanker. Zwar hat Obama den Etat der Nasa für die nächsten fünf Jahre um mehrere Milliarden aufgestockt. Doch das dereinst geplante "Constellation-Programm" mit seinen großen Raketen ist abgesagt. Die verbliebene Supermacht will kleinere Raumkapseln bauen.
Dorothea Hahn, Washington
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China: Der Weg des Hasen
Chinas Mythologie sieht im Mond keinen Mann, sondern einen Hasen. Kein Wunder, dass Peking im chinesischen Jahr des Hasen 2011 hochfliegende Raumfahrtpläne hat. Im innerasiatischen Weltraumwettrennen will die Volksrepublik weiterhin die Nase vorn haben sowie den schwächelnden USA und Russland auf den Fersen bleiben. Allerdings hat Chinas ambitioniertes Programm hasentypische Haken. Die Lancierung des ersten chinesischen Raumlabors "Himmelspalast 1" (Tiangong 1) ist auf die zweite Jahreshälfte verschoben worden. Da sollte dann eigentlich schon das Raumschiff "Heiliges Land 8" (Shenzhou) ins All geschickt worden sein und angedockt haben. Dessen Abschuss ist in offiziellen chinesischen Jahresausblicken für 2011 aber noch mit 16. Februar angegeben. Verstehe einer die Chinesen.
Aber in der Vergangenheit haben sie die Welt samt Weltraum auch immer wieder überrascht. Vom ersten unbemannten Raumflug 1999 bis zum ersten chinesischen "Taikonauten" (Taikong heißt auf Chinesisch "Weltall") im Gefährt "Heiliges Land 5" vergingen nur vier Jahre. Peking feierte den 21-Stunden Flug im All als Triumph des chinesischen Fortschritts. Generös hatte man dem Taikonauten Yang Liwei auch Getreide des als abtrünnige Provinz betrachteten Taiwan und eine UN-Flagge mit ins All gegeben.
Die vorläufig letzte bemannte Raummission mitsamt dem ersten Spacewalk eines Taikonauten fand im September 2008 statt - als Krönung der Olympischen Sommerspiele in Peking. Die nächste ist für Ende 2012 geplant, zum Mond will Peking zunächst unbemannt 2017 fliegen. Aber das nur als Zwischenschritt gen Mars. Der Hase im Mond wird vielleicht froh sein.
Kristin Kupfer, Peking
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Indien: Mit dem Billigflieger zum Mond
Wenn eine indische Weltraumrakete abstürzt, wie erst kürzlich zu Weihnachten eine Satellitenrakete im schwarzen Rauch am Himmel über Südindien, regt sich niemand außerhalb Indiens auf. Zwar flog schon 1984 der erste Inder ins All zur sowjetischen Raumstation Saljut. Zwar gilt Indien heute als Zukunftsmacht. Doch als Weltraumgroßmacht ist Indien noch nicht im Gespräch. Jedenfalls haben die Inder ihre Weltraumforschungszentrale ISRO (Indian Space Research Organisation) in ihrer Software-Hauptstadt Bangalore errichtet. Und dort glaubt ISRO-Chef K. Radhakrishnan heute, dass seine Leute durchaus Großes verrichten, etwa die "Entdeckung von Wasser in der Umwelt des Mondes". Inder auf dem Mond? Genau das plant ISRO im Jahr 2016, wenn für 2,8 Milliarden Dollar erstmals zwei indische Astronauten auf den Mond fliegen sollen.
Das ist nicht billig. Doch ansonsten preist sich Indien als Nation der Billigflieger in den Weltraum. "Der preisgünstige Eintritt in den Weltraum ist unser Schwerpunktgebiet", sagt Radhakrishnan.
Das alles aber soll im Sinne des indischen Republikgründers Jawaharlal Nehru sein. Der beschäftigte sich in seinen Büchern schon mit dem Sonnensystem, als er noch als politischer Gefangener der britischen Kolonialherren im Gefängnis saß und schrieb. Seither träumt Indien seinen Weltraumtraum. Kein Absturz, schon gar nicht die "Challenger"-Katastrophe vor 25 Jahren, hat den Traum je gestört.
Georg Blume, Neu Delhi
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Russland: Die Rückkehr zu großen Träumen
Die Zeiten sind vorbei, als jeder sowjetische Junge davon träumte, Kosmonaut zu werden. Das Gedenken an Juri Gagarin, der als erster Bürger mit Sowjetpass ins All vorstieß, wird jedoch noch wachgehalten. Ruhm ist ihm schon deswegen gewiss, weil er vor den Amerikanern im Kosmos war. Ölboom, Höhenflug des Rubels und Wladimir Putins Sowjetnostalgie verliehen der russischen Raumfahrt seit 2005 wieder kräftigen Auftrieb.
Die Raumagentur Roskosmos erhielt großzügige Zuwendungen und entwarf Pläne bis 2040. Grandiosestes Projekt ist eine Mission zum Mars, wegen der Wirtschaftskrise auf 2035 bis 2040 verschoben. Der Glaube an die Beherrschbarkeit der Natur wie die des Menschen ist in Russland ungebrochen. Und Russland muss sich ausdehnen, wenn es nicht im Chaos untergehen will. 2010 schickte Moskau doppelt so viele Satelliten und Trägerraketen ins All wie die USA oder China. Mit dem wiedererstarkten Glauben an Russlands zivilisatorische Überlegenheit reifte auch der Wunsch, aus der internationalen Raumstation ISS auszusteigen und eine russische einzurichten. Sie soll als Versorgungsplattform für Flüge ins tiefe All dienen. Auch die Venus wurde anvisiert.
Noch ist das Zukunftsmusik. Die profaneren Projekte von Kommunikations- und Erdbeobachtungssatelliten erlitten 2010 indes herbe Rückschläge. Auch mehrere Satellitenstarts des russischen GPS-Pendants, Glonass, schlugen fehl. "Nicht sehen und doch glauben", sagt sich der pragmatische Russe. Der Glaube, die Welt missionieren zu müssen, übersteht nicht nur jeden Misserfolg, er trotzt auch den Grenzen von Natur und Technik.
Klaus-Helge Donath, Moskau
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Europa: Astrobürokraten ohne Größenwahn
"Wir können die Schwerkraft überwinden, aber der Papierkram erdrückt uns." Dieses Zitat des an der Entwicklung der Raumfahrt nicht eben völlig unbeteiligten Wernher Freiherr von Braun galt ursprünglich einer Nasa auf dem Höhepunkt ihrer geostrategischen Bedeutung – ein Gebilde wie die ESA mit ihren demnächst 19 Mitgliedern (jüngst gesellte sich die alte Raumfahrernation Rumänien mit ihrem geballten Know-how und ihren unbegrenzten finanziellen Mitteln dazu) hätte er sich wohl in seinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Zwar sind Frankreich und Deutschland die beiden wichtigsten Triebwerke der ESA, doch beharken sich die Nationen immer wieder gern gegenseitig, wenn es um die Vergabe von Aufträgen für Nachrichten- oder Forschungssatelliten geht.
Sowieso gehört die "Förderung verschiedener europäischer Hightechindustrien" zu den vornehmsten Aufgaben der ESA - die andernorts dominante militärische Komponente bleibt hier marginal.
Zwar fehlt den Europäern naturgemäß der national-glamouröse Größenwahn, der ausnahmslos alle anderen Himmelsstürmer zu neuen Höchstleistungen anspornt; und die ESA hängt am finanziellen Tropf der Geberländer, ihre Pläne stehen und fallen mit deren Budgets - und dort ist Sparen angesagt, weshalb die ESA-Ausgaben (rund 3.000 Millionen jährlich) derzeit eingefroren sind. Doch könnte sich dieses Manko am Ende sogar als Vorteil erweisen. Arbeitet man mit den USA, mit Russland oder gar China zusammen? Die ESA hat hier die freie Partnerwahl.
Lange aber wird im Orbit ohnehin kein Geld mehr zu verdienen sein. Nicht die Trümmer der "Challenger" stehen der Raumfahrt im Weg, sondern der Weltraumschrott. Er wird derzeit auf 600.000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als einem Zentimeter geschätzt und wächst mit jedem Start unweigerlich weiter an. Wenn das Müllproblem nicht gelöst wird, könnte es in spätestens 50 Jahren mit der christlichen Raumfahrt ein ganz banales Ende nehmen.
Arno Frank, Brüssel
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