Das Portrait
: Vom „Spaltpilz“ zum Alterspräsidenten

■ Fred Gebhardt

So schnell kann's gehen. 53 Jahre lang hatte sich Fred Gebhardt in der SPD hochgedient. Anfang des Jahres verließ der frühere Frankfurter SPD-Vorsitzende und langjährige Landtagsabgeordnete die Partei – aus Protest gegen „einen zunehmend neoliberalen Parteikurs unter Gerhard Schröder“, sagt er. Seine politische Karriere schien damals beendet. Nun übernimmt der 70jährige Gebhardt das Amt des Alterspräsidenten im 14. Deutschen Bundestag.

Der parteilose Gebhardt kam über die hessische Landesliste der PDS in den Bundestag. Fast einstimmig hatten ihn die Genossen im Frühjahr auf Listenplatz eins gehoben; erleichtert, mit Gebhardt einen populären Nachfolger für den PDS-Abgeordneten Gerhard Zwerenz gefunden zu haben. Der streitbare Schriftsteller scheidet zum Ende dieser Legislaturperiode desillusioniert aus dem Bundestag aus.

Das Ehrenamt kam für Gebhardt überraschend: Er habe nicht damit gerechnet, daß er der Älteste sein würde. „Mein Lebensinteresse war ein ganz anderes“ – Gebhardt hat sich in den letzten Jahren für den Friedensprozeß im Nahen Osten engagiert. Maximal vier Wochen hat er nun Zeit, an seiner Antrittsrede zu feilen. Spätestens am 27. Oktober muß der neue Bundestag zum ersten Mal zusammentreten. Konservative Politiker erschaudern bei dem Gedanken daran, daß ein Exponent der Ultralinken die honorige Runde der Volksvertreter eröffnet. Das hat sich bereits vor vier Jahren gezeigt, als die komplette CDU/ CSU-Fraktion bei der Eröffnungsrede des damals 81jährigen PDS-nahen Alterspräsidenten Stefan Heym keine Hand rührte und dem Schriftsteller selbst Höflichkeitsapplaus verweigerte.

In seiner Eröffnungsrede will Gebhardt über die Menschenrechte in Europa reden sowie über den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Und er legt Wert auf seine Unabhängigkeit. Er habe nicht vor, der SED-Nachfolgepartei beizutreten: „Ich stehe der PDS kritisch nahe“, sagt er. Ob die feinen Nuancen zwischen Parteinähe und –mitgliedschaft seine ehemaligen Genossen beeindrucken, ist allerdings fraglich. In der SPD war Gebhardt schon vor seinem Austritt nicht wohlgelitten. Als der Querdenker mit anderen Altlinken ein „Forum für Sozialistische Verständigung“ gründete, das für eine engere Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS warb, bekam er zu hören: „Du Spaltpilz!“ Kerstin Willers