■ Vom Nachttisch geräumt: Von der Dichtkunst
David Lodge ist Professor für moderne englische Literatur an der Universität Birmingham und ein sehr erfolgreicher Autor dazu. Im Independent on Sunday hatte er 50 Wochen der Jahre 1991 und 1992 eine Kolumne „The art of fiction“. Lodge druckte eine oder zwei Prosapassagen ab und erläuterte sie, eine nachahmenswerte Einrichtung, vorausgesetzt, man fände jemanden, der es ebenso elegant und genau macht wie Lodge.
Viele Artikel beschäftigen sich mit spezifischen Problemen. Der erste natürlich mit dem verbreitetsten: wie anfangen? (an Beispielen von Jane Austen und Ford Madox Ford) Dann kommen so heterogene Themen zur Sprache wie die Rolle der Namen (David Lodge, Paul Auster) oder die des Wetters (Jane Austen, Charles Dickens), die Bedeutung von Wiederholungen (Ernest Hemingway), von Titeln (George Gissing) oder Kapiteleinteilungen (Tobias Smollett, Laurence Sterne, Walter Scott, George Eliot, James Joyce).
Andere Beiträge gehen auf allgemeinere Fragen ein, den Briefroman (Michael Frayn), Symbolismus (D.H. Lawrence) oder gar die „Non-Fiction-Novel“ (Thomas Carlyle). An diesem Thema sieht man schön, wie souverän Lodge sich auf dem verminten Terrain bewegt. Der Terminus stammt von Truman Capote, der damit seinen Bericht „In Cold Blood“ apostrophierte. Seine wie ein Roman geschriebene Reportage über einen Mord machte Schule. Bei Norman Mailer und Tom Wolfe glanzvoll; der Versuch, die Sache transatlantisch, also bei uns heimisch werden zu lassen, scheiterte. David Lodge zeigt sehr schön, wie die Kriterien des New Journalism, von Tom Wolfe 1973 manifestartig veröffentlicht, samt und sonders auf einen Klassiker wie Thomas Carlyle zutreffen, auch auf dessen „Geschichte der französischen Revolution“, ein Buch, mit dem jeder englische Schüler traktiert wird.
Lodges Erläuterungen sind eine glückliche Verbindung von genauer Analyse und souveräner, immer leicht ironischer Verallgemeinerung. Er kommt nie auf die Idee, allgemeine Regeln aufzustellen. Zu genau weiß er, daß der Regelverstoß, ob raffiniert oder mit obszöner Brutalität, einen Gutteil der „art of fiction“ ausmacht.
David Lodge: „The Art of Fiction“. Secker & Warburg, 240 Seiten, etwa 50 DM
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