■ Mit der Ost-Industrie auf du und du: Vom Markt verdrängt
Berlin (taz) – Industrieunternehmen in Ostdeutschland leiden immer mehr unter einem massiven Verdrängungswettbewerb. Ob privatisiert oder noch in Treuhandeigentum: Seit auch im Westen rezessionsbedingt die Produktion sinkt, haben es Ostunternehmer um so schwerer, für ihre Ware Abnehmer zu finden. Noch nie, sagt inzwischen sogar die einst so optimistische Birgit Breuel, seien die Chancen der Ostunternehmen so schlecht gewesen. Auch wenn die Treuhandchefin mit Kampfpreisen der Ost-Industrie droht – derzeit sind es die Unternehmen im Westen, die einen Preiskrieg anzetteln.
Daran hat auch die „Einkaufsinitiative Ost“, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zusammen mit der Treuhand Anfang des Jahres gestartet hat, nur wenig geändert: Jeder Auftrag eines Großunternehmens an einen ostdeutschen Lieferanten bringt die angestammten Westzulieferer in die Bedrouille. So feierten denn die Initiatoren der Aktion am Montag bereits jene läppischen 850 Millionen Mark, für die Westunternehmen mehr als ursprünglich geplant im Osten einkauften, als Erfolg. Insgesamt orderten die 70 Firmen, die die Initiative unterstützen, im ersten Halbjahr 1993 für 6,5 Milliarden Mark Waren in den neuen Bundesländern. Trotz der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation wollen die BDI-Unternehmen ihre Einkäufe in Ostdeutschland bis 1995 auf 25,2 Milliarden Mark steigern. Von den 15,5 Millionen neuen Ost-VerbraucherInnen profitiert nach wie vor vor allem der Westen. Carl Hahn, Ex-VW-Chef und Mitinitiator der Einkaufsoffensive, zufolge kaufen ostdeutsche KonsumentInnen jährlich Westprodukte für 14.000 Mark pro Kopf, VerbraucherInnen aus den alten Ländern geben für ostdeutsche Produkte jedoch nur 2.200 Mark aus.
Allzuviel Hoffnung auf Investoren aus dem Ausland können sich ostdeutsche Unternehmer ebenfalls nicht machen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat gestern eine Studie der internationalen Wirtschaftsberatungsgesellschaft Arthur D. Little veröffentlicht: Demnach sind all die Mühen, die sich Politiker in Bund, Ländern und Ostgemeinden geben, um die Standorte attraktiv zu machen – Investitionszuschüsse, Infrastruktur –, für ausländische Investoren uninteressant. Vorrangig komme es ihnen darauf an, über Ostdeutschland einen Fuß auf den deutschen Markt zu bekommen. Wer niedrigere Löhne wichtig finde, investiere dagegen lieber gleich in Osteuropa. Fazit der Studie: Ostdeutschland weise keine eklatanten Nachteile gegenüber Westdeutschland auf – allerdings auch keinen wirklichen Vorteil. Donata Riedel
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