: Vom Leben angefressen
Raufen, konkurrieren, heulen und dann esoterische Ersatzfelder suchen: Barbara Webers Freundinnen auf Kampnagel ■ Von Annette Stiekele
Sie ist aus unserem Leben einfach nicht wegzudenken, die beste Freundin. Sie nimmt uns in den Arm, wenn wir Liebeskummer haben und hört sich die Verzweiflung über unsere Figur- und Hautprobleme auch um zwei Uhr nachts noch gern an. Freundinnen sind für jede Frau einfach ein großes Thema. Zugleich eines, das schwer an Klischeevorstellungen trägt.
Frauen sind überhaupt in der Theaterliteratur unterrepräsentiert: Statt Heldinnen zu verkörpern, dürfen sie meist gerade mal schwindsüchtig werden, findet die junge Theaterregisseurin Barbara Weber und entwickelte eine heiter-garstige Szenencollage mit dem Titel Freundinnen. Ein Seminar, die sie als Gastspiel im Rahmen der Reihe „fertig...los! – Diplom 2001“ auf Kampnagel zeigt. Das Stück läuft bereits mit großem Erfolg auf verschiedenen Bühnen in der Schweiz.
Die erst 25-jährige Schweizer Regisseurin studiert seit 1997 in Hamburg und wird ihre Abschluss-arbeit Trommeln in der Nacht im Mai auf Kampnagel vorführen. Vor zwei Jahren machte sie bereits mit dem Projekt Leidenschaften und Ungeziefer bei „Die Wüste lebt!“ in den Kammerspielen auf sich aufmerksam. Die Freundinnen in ihrem neuen Stück ringen mit den Untiefen des weiblichen Alltags in brülligster Soap-Manier. Dr. Elisabeth Zahnd und Ramona Berger kennen sich seit frühester Kindheit und leiten gemeinsam ein Seminar von Freundinnen für Freundinnen.
Mit dreißig Jahren sind die beiden vom Leben ganz schön angefressen – und von Männern sowieso. Längst haben sie sich auf spirituelle Ersatzfelder begeben. Ihr Seminar gleicht daher eher einem „Frauen-spürt-Eure-Weiblichkeit-Workshop“ und reicht bis zu esoterischen Absurditäten wie dem Phänomen des „Bauchnabelausgießens“. Ach, übrigens, die Frauen werden von Männern gespielt (Fabian Krüger und Philipp Stengele, mit dem Barbara Weber vor zwei Jahren zusammen das Produktionskollektiv „stengele.ost“ gegründet hat), was dem Ganzen ein raffiniertes Spiel mit Intimität beschert. Und ihm eine übertriebene Ernsthaftigkeit nimmt. Denn bei diesem Stück darf auf jeden Fall herzhaft gelacht werden.
Da sitzen sie dann, die Reliquien des gemeinsamen Weges auf den Knien und lassen die Freundschaft Revue passieren, die Anfänge, die Kindheit, leihst du mir die Bravo?, kommst du nach der Schule noch zu mir?, die erste Jeans, der erste Discobesuch. Sie schwelgen in schönen Erinnerungen, aber auch bittersten gegenseitigen Kränkungen. Denn die eine ist grazil und hübsch und bekommt die interessanten Typen ab, die andere blass und korpulent, wurde von Männern meist übersehen und findet ihre Erfüllung beim Basteln von Möbeln. Diese Frauen sind normal gekleidet (Kostüme: Elke Rüß), reden überhaupt nicht tuntig und bewegen sich in einem aus mobilen Elementen (Kreativmöbel) bestehenden Bühnenbild des Künstlers Kerim Seiler. So schnacken sie munter drauflos, lästern über die schlechten Liebhaberqualitäten der Männer, gönnen sich zwischendurch mal ein Bier und raufen. Weber experimentiert gerne mit Theaterformen, mischt Alltägliches in die großen menschlichen Themen Liebe und Intimität. „Ich liebe es, Welten in einem Raum zu erschaffen, mit Phantasien zu spielen“, sagt sie.
Am Ende verliert sich das pädagogische Sendungsbewusstsein der Seminarleiterinnen zugunsten eines Merkantilismus, bei dem Elisabeth ihre selbst entworfenen Möbel an die Teilnehmerinnen bringen will. Die vermeintlich selbstlose Freundschaft entlarvt Weber als Zwangsprodukt, in dem manch eine immer immer angerufen werden will und unterschwellig ein Konkurrenzverhältnis herrscht. All das lässt die Freundschaft manchmal anstrengend sein. Doch nach außen sind die Freundinnen ein starkes Team, das gegen alle Widrigkeiten des Lebens besteht und gestärkt aus allen Stürmen hervorgeht. Männer kommen und gehen, aber die beste Freundin muss bleiben. Wie die beiden Seminarleiterinnen aus dem bombastischen Bühnenshowdown in „Thelma and Louise“-Manier am Ende.
8.– 10.2., jeweils 20 Uhr, Kampnagel, k1
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