Vom Erdenbürger zum Netizen: Pornobilder und die Kunst, auf sich aufmerksam zu machen
■ Eine eher emotionale Einführung in die Welt der neuen Netze in schätzungsweise zehn Folgen / Fünfte Lieferung: Wenn die Mailbox überläuft / Die Kontaktanzeige – Erfahrungen mit einem traditionellen Genre in einem neuen Medium
Zur Erinnerung: Der Autor hatte sich entschlossen, seinem Single-Dasein auf dem virtuellen Umweg ein Ende zu machen (und seine Erlebnisse in einer Artikelserie zu verwerten *g*). Auf der langen Reise zum Glück lernte er im Internet, in den Chatforen und Newsgroups die dunklen Seiten in sich selbst und helle Köpfe vom anderen Ende der Welt kennen. Das machte Spaß, das machte glücklich, aber führte auf Dauer nicht zum Erfolg. Also entdeckte er ein konventionelles Genre in einem neuen Medium: Kontaktanzeigen im Internet. Lesen Sie heute einen Gastbeitrag, in dem aus weiblicher Sicht steht, worum es dabei geht ( ck ).
Ja, ja – das Internet ist von Männern dominiert und dient hauptsächlich zum Herunterladen pornografischer Bilder. In Chats werden Teilnehmer mit weiblichem Nickname angebaggert und ansonsten nur hirnlose Belanglosigkeiten ausgetauscht. Und E-Mails sind unpersönlich und enthalten größtenteils unerwünschte Werbung. Gibt es also auch nur einen einzigen Grund, warum frau per Internet flirten sollte? Mehr als einen!
Die meisten Internet-Nutzer sind Männer. Und die meisten Erfahrungsberichte über das Internet kommen von Männern. Trotzdem oder gerade deswegen: Das Web bietet uns Frauen ungeahnte Flirtqualitäten!
Man führe sich nur Angebot und Nachfrage vor Augen: Frauen haben, da „Mangelware“, die besten Chancen! Das habe ich selbst erfahren, als ich eine Kontaktanzeige bei „date.de“, einer der beliebtesten und – weil chronisch überlaufen – oft auch verstopften Flirtseiten, aufgegeben habe. Ich habe nicht zehn Antworten erhalten, nicht fünfzig, nicht hundert und auch nicht fünfhundert. Ich muß zugeben, daß ich irgendwann den Überblick verloren habe, aber meine aktuellen Schätzungen liegen bei ca. sieben- bis neunhundert Mails! Soviel zum Thema Quantität. Was die Qualität angeht ... Der durchschnittliche männliche Mailverfasser scheint Phantasie und Humor für absolut überflüssige Qualitäten zu halten. Aber zum Glück gibt es ja auch noch die Herren, die mehr als nur „Frank, 35, 180, 75, blaue Augen, schlank, sportlich, treu und beruflich erfolgreich würde sich über Deine Antwort freuen“ schreiben. Sollten Sie, lieber Leser, jemals auf eine Kontaktanzeige im Internet antworten wollen: Bitte, bitte tun Sie sich selbst und der inserierenden Frau den Gefallen und schreiben Sie erstens etwas länger und zweitens etwas aussagekräftiger und drittens etwas phantasievoller!
Nachdem also die ersten Auswahlkriterien etabliert und die meisten Mails aussortiert wurden, geht es endlich ans Eingemachte. Das Foto. Liebe Frauen, es gibt natürlich schon gutaussehende Männer im Internet. Und nette. Und solche, die tolle Mails schreiben. Aber alles zusammen? Selten, sehr selten! Zunächst sei vor den Samstagabend-Mail-Schreibern gewarnt: Denjenigen, die wirklich nur vor ihrem Bildschirm sitzen. Dann vor den verheirateten Typen, die erst mit der Wahrheit hinterm Berg halten und sich dann mit einem lapidaren „das macht doch jeder“ herausreden wollen. Und vor denen, die sich, wie man später feststellt zu Recht sehr zieren, überhaupt ein Foto zu schicken.
Aber zu diesem Zeitpunkt hat einen schon längst die Flirtsucht gepackt! Weniger als zwanzig neue Mails am Tag grenzen schon an eine Katastrophe. Und natürlich gehört frau inzwischen längst zur Chat-Gemeinde.
Ruth Degenhardt
Lesen Sie in der nächsten Folge, wie es ist, einer von 1.000 zu sein *seufz* und auf eine Antwort doch Antwort zu bekommen *rofl*.
Kleines Emoticon-Glossar: *g* = grins, *rofl* = rolling on the floor for laughter, *seufz* = Ausdruck tiefsten Bedauerns und Vorahnung des Scheiterns
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