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Archiv-Artikel

Vom Darfur-Krieg zur Rebellion im Tschad

Sudans Armee stand Pate bei der Gründung der tschadischen Rebellenkoalition FUC, die Tschads Präsident Déby stürzen will. Dabei hatte Sudan einst Déby an die Macht gebracht. Der mörderische Krieg in Darfur hat die beiden Länder nun entzweit

VON JÜRGEN HART

Der Angriff von Rebellen im Tschad auf die Hauptstadt N’Djamena wurde vorerst abgewehrt, doch die Gefahr eines Bürgerkriegs im Tschad und die Bedrohung für die Zivilbevölkerung und die 200.000 im Tschad lebenden Flüchtlinge aus der benachbarten sudanesischen Kriegsregion Darfur ist keineswegs gebannt. Bei den Angreifern handelte es sich um ein Bündnis aus acht Oppositionsgruppen, darunter Deserteure aus der Armee. Logistische und militärische Hilfe erhielt das Bündnis offenbar vom sudanesischen Militär in Darfur, was der Sudan jedoch vehement bestreitet. Tschad hat seine Beziehungen zum Sudan abgebrochen.

Tschads Präsident Idriss Déby war über viele Jahre ein guter Freund Khartums. 1990 hatte er sich mit Hilfe Libyens und Sudans von Darfur aus an die Macht geputscht. Seinen Sieg verdankte er auch Nomaden aus Nord-Darfur, darunter viele, wie Déby selbst, Mitglieder der Volksgruppe der Zaghawa, die ihm Kämpfer und Unterschlupf gewährten. Politisch war Déby dem Sudan immer verbunden. Khartum stellte ihm militärische und ideologische Berater ab.

Geändert hat sich dies, seit Rebellen in Darfur 2003 ihre Waffen erhoben. Neben den Volksgruppen Fur, Massalit sowie kleineren Ethnien sind auch die Zaghawa an der Rebellion federführend beteiligt. Sudan hat Déby wiederholt vorgeworfen, die Darfur-Rebellen mit Waffen versorgt zu haben. Relativ sicher ist zumindest, dass aus dem Kreis des tschadischen Militärs Waffen an die Verwandten und ehemaligen Kameraden unter den Darfur-Rebellen gegangen sind. Déby geriet zunehmend unter Druck, als seine Anhänger Solidarität mit den Verwandten in Darfur forderten, denn auch Khartum erwartete Loyalität.

Déby versuchte sich zunächst als Vermittler zu profilieren. Doch von Seiten der Darfur-Rebellen handelte Déby sich den Vorwurf ein, Khartum in die Hände zu spielen. Sie favorisierten fortan Nigeria als Verhandlungsort. Sudan wiederum rekrutierte tschadische Milizionäre für die Janjaweed-Milizen, die in Darfur die Zivilbevölkerung terrorisiert und vertrieben haben. Unter den Rekruten befinden sich politische Gegner Débys – um Déby zu erinnern, wem er zu Loyalität verpflichtet war.

In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Übergriffen der Janjaweed im Tschad. Um die lange Grenze zum Tschad zu sichern, hat Sudan eine eigene Grenz- und Nomadenpolizei kreiert. In den Uniformen stecken oft Janjaweed. Die Grenze konnten sie nicht sichern, und zumindest jene Janjaweed, die aus dem Tschad stammen, dürften daran auch kein Interesse haben.

Als glücklicher Umstand für Khartum erwiesen sich die zunehmenden Streitereien in Tschads Regierung. 2004 wurde ein Putschversuch gegen Déby vereitelt, der mit Unregelmäßigkeiten in der Armee in Zusammenhang gebracht wurde. Im Verlauf der Untersuchung kam zutage, dass hochrangige Militärs Gelder veruntreut hatten. Auf ihren Gehaltslisten standen 5.000 fiktive Soldaten. Der Konflikt gipfelte zunächst in der Flucht von zahlreichen Armeeangehörigen. Ein Teil flüchtete nach Darfur. Um Verwicklungen vorzubeugen, ließ Déby den Sudan wissen, dass Deserteure in Richtung Darfur unterwegs seien. Khartum meldete zurück, dass man sie festsetzen werde.

Einige Wochen später traten Vertreter der tschadischen Opposition in Khartum auf. Auf Drängen N’Djamenas wurden sie vorübergehend in Haft genommen, um kurz darauf in Darfur bei der Gründung des bewaffneten tschadischen Oppositionsbündnisses FUC (Vereinigte Kräfte für den Wandel) wieder aufzutauchen. Sudans Armee soll bei der Gründung Pate gestanden haben. Trainingslager, Waffen und Ausrüstung sollen bereitgestellt worden sein. Im Dezember 2005 wagten die Tschad-Rebellen eine erste Offensive. Weitere Blitzangriffe folgten. Die Präsenz von Janjaweed und sudanesischer Armee in West-Darfur ist zugleich stetig gestiegen.

Der tschadische Präsident ließ sicherheitshalber seine Leibgarde auswechseln. Der Staatshaushalt wurde für militärische Zwecke umgestellt. Armeestellungen wurden verstärkt und der Notstand verhängt. Dazu schloss Déby einen Pakt mit seinen Zaghawa-Verwandten unter den Darfur-Rebellen ab.

Die Konfrontation im Tschad wird somit unmittelbar vom Darfur-Konflikt beeinflusst. Sudan möchte die Darfur-Rebellen kleinkriegen. Dabei sollen die Tschad-Rebellen helfen, indem sie, im Falle ihres Sieges, die Darfur-Rebellen aus dem Tschad aussperren. Ob sie dies wollen oder können, ist allerdings fraglich. Zugleich wird der Verlauf des Darfur-Konflikts aktuell auf beiden Seiten von Fraktionen bestimmt, die eine Politik nach dem Motto „Sieg oder Tod“ betreiben. Die militärische Lösung hat Hochkonjunktur.