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Volles Rohr oder fishing well bei Shell

■ Warmwassereinläufe von Fabriken und Kraftwerken im Hafen machen Angler glücklich Von Tom Weihe

Brassen in Massen und Zander satt im lauen Abwasser von HEW und im warmen Quell von Shell: Nicht nur an entlegenen Stränden oder in verträumten Auen erfüllen sich Anglerträume. Die wahren Hamburger Fischparadiese sind Warmwassereinläufe von Kraftwerken, Fabriken und Raffinerien. 23 von ihnen hat die Zeitschrift „Anglerwoche“ jetzt auf einer „heißen Liste“ als „absoluten Geheimtip“ vorgestellt.

An kalten Tagen vom Boot aus die Rute ins dampfende Fabrikwasser auszuwerfen, garantiert fast sicher Anglerglück. Warmwasserangeln ist vielleicht nicht ganz so modisch wie Kanalfischen auf Berliner Trottoirs, aber viel romantischer. Die Morgensonne, die langsam hinter den Fabrikgebäuden aufgeht, läßt den Abwasserdampf leuchten; unter einem glitscht das Getier, über einem ziehen höchstens Abgase. Und Warmwasserangeln ist unwahrscheinlich effektiv. Den Pferdekopftrick aus der Blechtrommel braucht man zum Aalfang nicht. Man erzählt sich, die Fische bissen hier gerne auch am blankem Haken an.

Das mag Anglerlatein sein. Aber fest steht: Gerade in der Laichzeit suchen sie fast alle warme Gewässer: Der Weißfisch, der Zander, der Karpfen, der Hecht. Nicht schlecht. Sie aalen sich, statt in der vergleichsweise kalten Elbe zu zittern, lieber im bis zu 15 Grad wärmeren Abwasser. Das freut den Angler. Bloß Lachse und Forellen bleiben weg von warmen Quellen.

Nicht nur angenehme Temperaturen machen das Leben am Abfluß attraktiv. „Abwässer müssen mit einem Mindest-Sauerstoffgehalt eingeleitet werden“, sagt Thomas Gaumert von der Wassergütestelle Elbe. „Und der ist oft höher als der normale Sauerstoffgehalt der Elbe.“ Das mag man ein bißchen pervers finden, aber den Angler freut's.

Weil Kühlwasser selten Zusätze enthält, ist das Wohlleben im Warmen für die Fische auch gar nicht besonders ungesund. Natürlich kann man aber auch hier mal einen vergifteten Fisch aus der Elbe ziehen. „Wenn die Tiere fleckig aussehen, muß man vorsichtig sein“, sagt Franz Schulz, Technischer Leiter der Bundesforschungsanstalt für Fischerei. Diese Vergiftungserscheinung hat ein Gutes für die Fische selbst: Sie bekommen eine Gnadenfrist. „Wenn man sie essen will, sollte man sie erst Monate im klaren Wasser ausschwimmen lassen“, so Franz Schulz.

Warmwasserangeln ist allerdings in Hamburg nichts für Kreti und Pleti. Ohne Boot läuft nichts. Die meisten Hamburger Fabriken haben ihr Gelände abgezäunt, vom Betonufer aus kommt man kaum an die reichen Fischgründe heran. Mit dem Schiff mitten im Siff - das ist die einzige Möglichkeit.

Wer also ein Bötchen hat: Nichts wie ab in Richtung Norddeutsche Affinerie (Hoovestraße 50) oder HEW-Kraftwerk (Tiefstack, Andreas Meyer-Straße 8 bzw. Harburg, Seehafenstraße 20) zum Im-Trüben-Fischen.

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