piwik no script img

Voller Erfolg bei leeren Kassen

Verkehrssenator Klemann lobt die Parkraumbewirtschaftung: Weniger Verkehr, mehr Parkplätze. Parkzonen sollen ausgeweitet werden. Gebührenerhöhung ist wahrscheinlich  ■ Von Bernhard Pötter

Das Konzept zur Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt ist nach Meinung von Bau- und Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) ein „voller Erfolg“. Der ruhende und fließende Verkehr habe abgenommen, es gäbe mehr Parkplätze in der Innenstadt, Berufspendler seien auf Bahn und Bus umgestiegen und Berlin habe etwa 10 Millionen Mark eingenommen.

Wegen dieses Erfolges sollen die bisher bewirtschafteten Zonen ausgedehnt werden: Künftig soll in der City-Ost auch westlich der Friedrichstraße und zwischen Unter den Linden und Leipziger Straße kassiert werden. In der City-West sollen die KontrolleurInnen auch bis zum Fehrbelliner Platz und im Bayerischen Viertel auf Parksünderpirsch gehen.

Untersuchungen aus dem letzten Jahr zeigten, daß „die Zahl der freien Parkplätze in allen drei Versuchsgebieten von 5 auf über 20 Prozent gestiegen ist, während die Zahl der Falschparker um fast die Häfte auf unter 10 Prozent gesunken ist“, so Klemann. Der Verkehr habe um etwa 10 Prozent abgenommen. „Das beweist, daß viele Berufspendler ihr Auto zu Hause lassen.“ Ein Ausweichen der Autos auf unbewirtschaftete Straßen sei dagegen weitgehend ausgeblieben. „Wir sind auf dem richtigen Weg, die Verkehrsströme und Parkmöglichkeiten in den Griff zu kriegen“, meinte Klemann.

Bei genauerem Hinsehen ist die Bilanz allerdings längst nicht so rosig. Denn die 10 Millionen Einnahmen sind nur ein Drittel der für 1995 angesetzen 30 Millionen. Und die für 1996 erwarteten 15 Millionen bleiben hinter dem Ansatz von 38 Millionen im Haushalt ebenfalls weit zurück.

Für den grünen Verkehrsexperte Michael Cramer ist die Bilanz sogar „dramatisch“. Nach seiner Erfahrung wichen die Autofahrer sehr wohl in die nicht-bewirtschafteten Zonen aus. Auch ein Umsteigen der Pendler auf dem ÖPNV könne er nicht beobachten: Schließlich sanken bei der BVG die Kundenzahlen im letzten Jahr um vier Prozent.

In der Tat ist die Faktenbasis für Klemanns Umsteigerthese dünn: Gefragt, woher er denn wissen wolle, daß die fehlenden Pendler auf Bus und Bahn umstiegen, meinte der Verkehrssenator: „Haben Sie dafür eine andere Erklärung?“ Cramers Kritik geht aber noch weiter: Die eigentlich gute Idee der Bewirtschaftung sei zu spät und zu zaghaft umgesetzt worden: Parken müsse innerhalb des gesamten S-Bahn-Ringes und in den Bezirks-Zentren gebührenpflichtig werden. Die Gebühr für die Anwohner-Vignetten solle von derzeit 30 Mark im Jahr auf 60 Mark angehoben werden, es solle weniger Ausnahmeregelungen geben. Schließlich solle sich die Gebühr für eine Stunde Parken an einem BVG-Ticket und den Preisen in anderen deutschen Städten orientieren und „bei mindestens vier Mark liegen“, so Cramer. „Ich bin dafür, daß über diese Mehreinnahmen die Autofahrer und nicht die anderen BürgerInnen den Bau des Autotunnels unter dem Tiergarten finanzieren.“ Alles in allem könne das Land Berlin jährlich 200 Millionen Mark über die Parkraumbewirtschaftung einnehmen.

Für Klemann ist das genau die falsche Sichtweise. Es gehe bei der Bewirtschaftung nicht darum, „die Bürger auszuplündern“, sondern den Verkehr zu lenken und der Polizei bei der Bekämpfung der „nicht sonderlich großen Disziplin beim Parken“ zu helfen. In einem allerdings könnte er sehr bald dem Grünen Michael Cramer zustimmen: „Höhere Gebühren wären eine Möglichkeit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen