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Berliner SzenenVoll das krasse Medikament

Im Koppe noch da

„Nich nehmen, ­Mädchen!“, sagt die Ärztin zu mir

„Kennen Sie diese Werbung, wo so Leute über eine Wiese tanzen? Und Bäume umarmen? Also nicht so eine Guck-mal-mein-neues-Kleid-Wiese, wo unterernährte Teenager mit Stoff behängt vom Wind drübergepustet werden, sondern ’ne richtige Wiese, mit hüfthoch Gräsern und Blumen mit so’ner ganz normalen Frau drauf. Und ein dicker Mann klammert sich wie ein Äffchen an einen dicken Baum. Und dann kommt ein Schriftzug: Nie wieder Heuschnupfen, nur einmal sprühen. Macht nicht müde. Das will ich haben!“

Der Apotheker, zu dem ich das gerade gesagt habe, ist ein freundlicher Mann Mitte fünfzig. „Isch abe überhaupt keinen Fernseher, Signorina!“, sagt er lächelnd. „Ach Manno, so ein Mist!“, murmele ich. „Das muss irgendwas ganz Neues sein.“

Wir finden das neue Spray. Es ist mit Cortison und gerade erst frei auf dem Markt zugelassen. Früher war das rezeptpflichtig. Inzwischen dürfen sie es so verkaufen. „Aber Cortison“, sage ich, „das ist doch voll das krasse Medikament. Wenn ich Cortison schlucke, dann bin ich wie auf Speed. Dann schlafe ich nicht mehr und kriege Schweißausbrüche. Und von Cetirizin werd ich völlig stoned. Vielleicht sollte ich beide kombinieren. Tranquilizer und Aufputschmittel, immer abwechselnd. Wie im richtigen Showbusiness.“

Der Apotheker lacht. „Eigentlich sollte ein Spray nur lokal wirken und nicht in den Organismus eindringen.“ – „Na, ich werd’s probieren“, sage ich.

Gestern treffe ich meine Allergologin auf der Straße. Frau Dr. Rose ist ungefähr 300 Jahre alt, die Hüfte will nicht mehr richtig, aber im Koppe ist sie noch voll da. „Nich nehmen, Mädchen!“, sagt sie zu mir. „Macht die Nasenschleimhäute kaputt. Einmal, ja! Aber nicht auf Dauer!“

Menno, es war so schön jewesen. Wenigstens kann ich jetzt wieder schlafen! Lea Streisand

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