Volkswirt über Mindestlohn: "Meisten Geringverdiener nicht arm"
Mindestlöhne sind untauglich, meint Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft.
taz: Herr Schäfer, warum sind Sie gegen einen Mindestlohn?
Holger Schäfer: Er ist ein völlig untaugliches Instrument. Seine Befürworter wollen damit Sozialpolitik betreiben nach dem Motto "Man muss von seiner Arbeit leben können".
Und was ist an dieser Idee falsch?
Die diskutierten Mindestlöhne von rund 7 Euro schützen nicht vor Armut. Familien benötigen ein Einkommen, das bei deutlich über 10 Euro pro Stunde liegt, wenn sie nicht vom Staat abhängig sein sollen.
Das zeigt doch nur, wie niedrig selbst ein Mindestlohn ist.
Hinzu kommt aber noch, dass die meisten Geringverdiener gar nicht arm sind. Überhaupt nur 16 Prozent der Niedriglöhner fallen unter die Armutsgrenze. Die meisten haben einen Partner mit höherem Einkommen.
Frauen dürfen also ausgebeutet werden, wenn der Ehemann gut verdient?
Es ist keine Ausbeutung, wenn man weniger als den Mindestlohn erhält. Die Arbeitskosten müssen sich danach richten, was die Beschäftigten an Wert produzieren. Und das ist bei einer Friseurin oder einem Wachmann eher gering.
Man könnte es auch andersherum sehen: Momentan konkurrieren viele Arbeitgeber um Aufträge, indem sie Dumpinglöhne zahlen.
Es würde doch nichts bringen, wenn die Arbeitgeber die Preise erhöhen müssten, weil die Lohnkosten steigen. Viele Dienstleistungen würden dann in die Schattenwirtschaft abwandern - oder würden von den Kunden gar nicht mehr nachgefragt.
Fast alle europäischen Länder haben längst einen Mindestlohn. Warum sollte er in Deutschland ein Problem sein?
Man kann nicht einfach nur Teile eines Sozialsystems aus anderen Ländern übertragen. Zudem ist der empirische Befund nicht eindeutig. Es gibt auch viele Studien, denen zufolge der Mindestlohn Arbeitsplätze gekostet hat.
Aber in fast allen europäischen Ländern sind die Wachstumsraten höher als hier.
Fragt sich nur, ob trotz oder wegen des Mindestlohns.
Wenn Sie keinen Mindestlohn wollen, was schlagen Sie vor, um die zunehmende Armut bei uns zu bekämpfen?
Mit dem Arbeitslosengeld II haben wir doch ein funktionierendes System der sozialen Grundsicherung.
347 Euro monatlich finden Sie für einen Single genug?
Der Abstand zu den Löhnen muss gewahrt sein, damit sich Arbeit auch lohnt.
INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN
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