Volksinitiative "Schule in Freiheit" im Abgeordnetenhaus: Etappenziel Redefreiheit erreicht
Erstmals zwingt eine Volksinitiative das Parlament zu einer Anhörung. Die Ziele von "Schule in Freiheit" sind vielen Abgeordneten aber zu radikal.
Der Staat soll den Schulen keine Vorgaben machen - aber alles bezahlen. Vielen Parlamentariern im Schulausschuss des Abgeordnetenhauses war am Donnerstag anzumerken, dass ihnen diese Forderungen der Volksinitiative "Schule in Freiheit" zumindest teilweise suspekt waren. Zuhören mussten sie trotzdem: Dazu waren sie durch eine erfolgreiche Unterschriftensammlung verpflichtet, mit der sich die Initiative das Recht erstritt, ihre Argumente vorzutragen. Das war ein Novum im Parlament und zog derart viele Besucher an, dass die Anhörung in mehrere benachbarte Räume übertragen wurde.
Über 24.000 gültige Unterschriften hatte die Gruppe gesammelt, nötig waren 20.000. Die Initiative ist nicht zu verwechseln mit der fast zeitgleich aktiven Bildungsinitiative für mehr und bessere Hortplätze und bezuschusstes Schulessen, die ebenfalls über 20.000 Stimmen sammelte, aber einen Volksentscheid anstrebt.
Im Kern geht es der Initiative darum, dass sie Schulen in freier Trägerschaft benachteiligt sieht. Sie erhalten nur zwei Drittel des Geldes, das staatliche Schulen erhalten, und müssen eine mehrjährige Probephase durchlaufen, in der es keine Zuschüsse gibt.
Ihre Forderungen gehen aber weit darüber hinaus: Schulen sollen weitgehend selbst bestimmen, was sie unterrichten, und frei in ihrer Organisation sein. Für Kurt Wilhelmi, einen der Sprecher der Initiative, reichen einige wenige, für alle Schulen geltende Grundstandards aus: Als Ziele fixieren muss man nach seiner Auffassung nicht viel mehr als "lesen lernen, schreiben lernen, rechnen lernen". Kaum mehr als eine Seite wäre nach seinen Vorstellungen nötig, das festzuschreiben.
Vor allem von der SPD-Fraktion gab es daran Kritik. Wie sei es denn da mit der Vergleichbarkeit, wie mit dem Hochschulzugang, wie bei Umzügen von einer Schule zur anderen? Auch der Grünen Anja Schillhaneck ging es trotz eigener Kritik an derzeitiger "Vergleicheritis" zu weit, sämtliche Qualitätsmaßstäbe fallen zu lassen. Selbst FDPlerin Mieke Senftleben, an diesem Nachmittag die größte Fürsprecherin der Initiative, erklärte eine "Mindestvergleichbarkeit" für unverzichtbar.
Fünf Männer und Frauen vertraten "Schule in Freiheit" - mit erkennbar unterschiedlichen Ansätzen. Da war der Mann fürs Ideologische, der bei den Abgeordneten wenig Gehör fand. Da war die selbstbewusst auftretende Abiturientin, die Vergleichsarbeiten und Zentralabitur ablehnte, sich statt mit Deutsch, Mathe oder Latein im Unterricht lieber mit "gesellschaftlich relevanten Themen" beschäftigen würde und als Beispiele dafür Psychologie oder Politik nannte. Auch das war erkennbar nicht die Mehrheitshaltung im Ausschuss, stieß aber wegen des engagierten Auftretens der 19-Jährigen auf Respekt.
Am ruhigsten war der Saal, als Margret Rasfeld redete, Leiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum - einer mehrfach ausgezeichneten Gemeinschaftsschule - und früher Direktorin staatlicher Schulen. Sie argumentierte, dass jetzige Unterrichtsformen und ein "Ungeist von Selektion" auch den Anforderungen der Wirtschaft und des Berufslebens nicht mehr entsprächen, dass die Schulen den immer wieder geforderten Innovationsgeist vermissen ließen.
Der Ausschuss will sich im April erneut mit den Forderungen befassen, das gesamte Parlament soll eine Woche später darüber abstimmen. Wie wenig Chancen auf Erfolg die Initiative haben dürfte, war schon an einem einzigen Begriff abzulesen, den die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion für den Forderungskatalog fand: Der ist für sie nur ein "Pamphlet".
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