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Volksentscheid "Pro Reli"SPD will schnelle Kreuzigung

Die SPD-Fraktion einigt sich auf einen eigenständigen Termin für den Volksentscheid "Pro Reli". Wähler sollen ihr Kreuzchen nicht am Tag der Europawahl machen. Kirche und Opposition sprechen von Trickserei.

Jeder nur ein Kreuz: Kurz nach Ostern sollen die Wähler sich auf den Weg ins Wahllokal machen, um dort über den Religionsunterricht abzustimmen - und über nichts anderes. Bild: Marquis Films

Die SPD will mit dem Volksentscheid "Pro Reli" nicht bis zur Europawahl am 7. Juni warten. Damit deutet jetzt alles auf eine schnelle Abstimmung im April oder Mai hin. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Michael Müller sagte auf der Klausurtagung der Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern: "Mehrheitlich hat die SPD-Fraktion den Standpunkt vertreten, dass es gute Gründe für einen frühen, eigenständigen Termin gibt, da es um ein eigenständiges bildungspolitisches Thema geht." Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte, die Abstimmung solle "zügig" erfolgen. Der Vorsitzende von "Pro Reli", Christoph Lehmann, warf Wowereit deswegen "Trickserei" vor.

"Pro Reli" tritt dafür ein, dass Religion künftig statt Ethik als Schulfach gewählt werden kann - und nicht mehr nur zusätzlich. Die Initiative hatte bis in der vergangenen Woche mehr als 300.000 Unterschriften gesammelt und so einen Volksentscheid erzwungen. Der rot-rote Senat, der die Initiative ablehnt, kann jetzt den genauen Termin für die Abstimmung festlegen. Die Landesverfassung schreibt vor, dass die Abstimmung innerhalb von vier Monaten erfolgen muss. Wenn die Abstimmung mit einer Wahl zusammengelegt wird, kann die Frist auf acht Monate verlängert werden.

Genau das fordert "Pro Reli". Die Initiative hätte die Abstimmung gerne zusammen mit der Europawahl. Dann gehen ohnehin viele Berliner zu den Wahllokalen, und das Risiko ist geringer, dass der Volksentscheid wegen einer zu geringen Wahlbeteiligung nicht bindend ist. Damit das Ergebnis gilt, müssen mindestens 610.000 Berliner mit "Ja" stimmen - an dieser Hürde scheiterte im vergangenen Jahr der Volksentscheid über die Zukunft des Flughafens Tempelhof.

Auch der evangelische Landesbischof Wolfgang Huber will daher mit der Abstimmung bis zur Europawahl warten. Dies senke zudem die Kosten für die Steuerzahler, sagte er im christlichen Sender Radio Paradiso: Eine Abstimmung an einem eigenen Termin kostet rund 1,5 Millionen Euro zusätzlich.

Wowereit wies den Vorwurf der Trickserei zurück. Die Forderungen von "Pro Reli" seien lange kontrovers diskutiert worden. "Jetzt warten alle auf eine schnelle Entscheidung." Deshalb stehe nicht der Senat, sondern die Kirchen "unter dem Verdacht, dass sie manipulieren wollen, wenn sie sich für einen so späten Abstimmungstermin einsetzen", sagte Wowereit.

Zuvor hatte es in der Fraktion eine "ziemlich kontroverse, aber auch konstruktive Debatte" gegeben, so die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Ülker Radziwill. Es habe am Ende jedoch eine "sehr deutliche Mehrheit" für Wowereits Vorschlag gegeben.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus ist dagegen für eine Abstimmung parallel zur Europawahl. "Dies ist sowohl bürger- als auch kostenfreundlich", findet der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, ist zwar selbst gegen das Volksbegehren, will es aber nicht mit "Termintricksereien" zum Scheitern bringen. Der Senat müsse "dem Eindruck entgegentreten, er wolle das Anliegen über Verfahrensfragen ausbremsen". Der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Martin Lindner, erklärte, es gebe keinen Grund, die Abstimmung vorzuziehen und künstlich zu verteuern. "Nicht einmal ein prinzipienloser Politiker wie Klaus Wowereit würde so offensichtlich manipulieren." Zumal es keinerlei Termindruck gebe, da der Entscheid nach Auskunft der Bildungsverwaltung ohnehin aus organisatorischen Gründen erst zum Schuljahr 2010/2011 umgesetzt werden könne.

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8 Kommentare

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  • A
    archimedes

    @ Bernhard H. Johannes Wagner: Leider wahr, nur beim P.S. ist vielleicht zu modifizieren: Vielleicht ist es nur z.T. unehrlich und vielleicht sind diese Leute an dieser Stelle wirklich einfach nur so dumm.

  • H
    Henriette

    @ Krause: das traut sich die TAZ nicht. Die sind nur da blasphemisch, wo sie sich auf christliche Gelassenheit verlassen kann.

     

    und zum Artikel: gut zu wissen, dass Berlin es sich leisten kann, 1,5 Mio Euro rauszuschmeissen, um den Wählerwillen möglichst auf regierungsgenehmere Weise zu eruieren. Die Volksabstimmung wird so oder anders ausgehen, egal an welchem Termin. Aber der BEigeschmack bei der Senatsentscheidung bleibt (und das GEld bleibt futsch, natürlich)

  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    Im römischen Imperium (und schon davor in anderen Regimen des Orients manchmal) wurden Zehntausende Menschen - Männer, Frauen und Kinder - durch Kreuzigung brutal, qualvoll zu Tode gefoltert.

    (die beiden berühmtesten hießen Jeshua (lateinisiert: Jesus) und Spartakus).

     

    Im Glücksfall hat der Todeskampf nur einige Stunden gedauert, manchmal aber mehrere Tage.

     

    Das haben manche Überschriftmacher/innen offenbar immer noch nicht realisiert. (so ähnlich wie manche Filmemacher/innen).

     

    ----

    P.S. Die Art und Weise wie Pro Reli argumentiert ist ein Beispiel armseliger Unaufrichtigkeit,

     

    denn derzeit gibt es die Wahl, Religion zu haben oder nicht. Und Ethik ist keine Glaubensfrage - vgl. das deutsche GG als Dokument politischer Ethik oder z.B. den Overlapping Consensus und den Sense of Justice bei John Rawls etc.

  • QI
    "Gott ist Güte"

    Traurig, daß 'Bert' und 'Krause' nicht den Artikel kommentieren, sondern nur die schon oft ausgetauschten Argumente respektive ihren angeblich aufgeklärten Humor präsentieren.

     

    Ebenso traurig ist es, daß die SPD den Bürgen der Stadt und ihren eigenen Wählern offensichtlich nicht zutraut, eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Weshalb bindet man sich dann überhaupt noch an demokratische Wahlen?

    Die kammeralistischen Gründe für die Bündelung der Wahlen möchte ich hier gar nicht anführen.

  • S
    Sebastian

    Wenn viele den Religionsunterricht begehren, dann werden sie an jedem Tag des Jahres zum Entscheid gehen und nicht nur, wenn gerade auch andere Wahlen sind.

     

    Wenn ihr Interesse zu gering ist, ist das eine eindeutige Aussage gegen die Religion.

  • BV
    Brian von Nazareth

    Den Gang entlang, dann rechts.

    Bitte jeder nur ein Kreuz.

  • B
    Bert

    "Das ist nur in eurem Hirne", sagte Immanuel Kant, Philosoph der Aufklärung, zu Aussagen über Gottheiten.

     

    Dass über zwei Jahrhunderte später immer noch über Hirngespinste wie es die Pfaffengötter sind, politisch debattiert wird, zeigt den niederen Stand des Bewusstseins breiter Volksschichten.

     

    Wenn ich behaupte, dass Demokratie und Selbstbestimmung nur bei einer aufgeklärten Minderheit angekommen sind, hoffe ich, vom Ausgang dieses Volksentscheides wiederlegt zu werden.

  • K
    Krause

    Ich schätze die TAZ u.a. wegen ihrer blasphemischen Schlagzeilen und Bebilderung. Noch mehr würde ich die TAZ allerdings schätzen, wenn nicht nur das Christentum, sondern auch andere Religionen ihr Fett weg bekommen würden. Insbesondere der Islam bietet da große humoreske Möglichkeiten, die zur Zeit viel zu wenig genutzt werden. In freudiger Erwartung