Volksabstimmung in Kongo-Brazzaville: Verfassung durchgewunken
Beim Referendum über Präsident Sassous neue Verfassung blieben die Wahllokale leer. Die Regierung spricht vom Sieg bei hoher Beteiligung.
Parteiführer Pascal Tsaty Mabiala forderte eine Annullierung der Abstimmung. „Die Beteiligung diskreditiert das Referendum total“, sagte er am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. „Entweder sie annullieren es, oder sie zwingen dem Volk eine Diktatur auf.“
Die Regierung sieht das anders. Den offiziellen Ergebnissen zufolge, die am Montag abend veröffentlichten und von Innenminister Zéphirin Mboulou im staatlichen Fernsehen bekanntgegeben wurden, ist die neue Verfassung mit 92,96% der Stimmen angenommen worden, bei einer Wahlbeteiligung von 72,44%. Damit hätten über zwei Dritten der registrierten Wähler für den neuen Text gestimmt.
„Der Entwurf der neuen Verfassung ist angenommen worden und wird im Augenblick seiner Unterzeichnung durch den Präsidenten der Republik in Kraft treten“, so der Minister.
Die neue Verfassung soll es möglich machen, dass Präsident Denis Sassou-Nguesso, der die „Republik Kongo“ seit 1979 mit kurzer Unterbrechung regiert, 2016 erneut zu Wahlen antritt. Das Verfassungsprojekt hat in den vergangenen Wochen die größten Proteste gegen Sassou-Nguesso seit fast zwanzig Jahren hervorgerufen.
Wahllokale ohne Wähler
Am Sonntag waren Straßen und Wahllokale weitgehend menschenleer geblieben. Journalisten in der Hauptstadt Brazzaville berichteten, sie hätten nur eine Schlange wartender Wähler ausfindig machen können – vor dem Wahllokal des Präsidenten, und das auch nur, als er selbst auftauchte.
Ein Reporter vermeldete nach einem halben Tag in einem Wahllokal genau einen einzigen Wähler; ein anderer in Pointe-Noire zählte bei Schließung seines Wahllokals rund 40 abgegebene Stimmzettel. Durchschnittlich diente ein Wahllokal 800 Stimmberechtigten.
Nicht einmal in Präsident Sassou-Nguessos Heimstadt Ouesso im Norden des Landes wurde eine nennenswerte Beteiligung gemessen. Andrang gab es nur dort, wo Soldaten und Polizisten zur Stimmabgabe abkommandiert waren.
„Wir akzeptieren das nicht“
„Die Menschen haben auf uns gehört und sind zu Hause geblieben“, sagte der oppositionelle Parteiführer Guy Kinfoussia Romain. „Wir akzeptieren keine veränderte Verfassung auf der Grundlage von bloß drei Prozent der Wähler.“
Staatschef Sassou-Nguesso erklärte das Referendum aber schon am Sonntag zum Erfolg. Bei seiner Stimmabgabe sagte er: „Meine Seite wird gewinnen, weil ich weiß, dass mein Volk den Frieden liebt.“ Solche Aussagen bestätigen Oppositionelle in ihrem Verdacht, dass Sassou-Nguesso nicht kampflos abtreten würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene