: Vogelschutz „zwingend erforderlich“
■ BUND tritt Kampagne gegen Umweltschutz entgegen / Fücks: „Der alte Grundsatzkonflikt“
Eine „Anhäufung sachlich falscher Argumente“ und „typisch Bremer Kirchturmpolitik“, sieht der Bund Natur- und Umweltschutz (BUND) in den Versuchen des Wirtschaftsressorts, das Thema Vogelschutz zur Krise der Ampel-Koalition aufzubauen. Besonders kritisch das Beispiel Hollerland: Hier beschwert sich das Wirtschaftsressort, daß ein 300 Meter breiter Streifen an der Autobahn als Vogelschutzgebiet bei der EU angemeldet worden ist - das Wirtschaftsressort möchte hier eventuell eine Vergrößerung des Technologieparks planen. „Eindeutige Beschlüsse von Senat und Bürgerschaft stehen dem entgegen“, erinnert der BUND dazu. „Geradezu abstrus“ findet es auch Umweltsenator Fücks, daß Senatskollege Jäger sich darüber aufregt, wenn Flächen, die die Bürgerschaft unter Naturschutz gestellt hat, auch als Vogelschutzgebiet in Brüssel gemeldet werden.
Auch an der Ritterhuder Heerstraße sieht das Wirtschaftsressort Pläne für die Ansiedlung eines Einkaufszentrums durch das nahe Vogelschutzgebiet gefährdet. „Nicht stichhaltig“, sagt dazu der BUND: Das geplante Einkaufszentrum würde „völlig außerhalb“ des geschützten Bereiches Blockland liegen. Aus anderen Gründen stagniert dieses Projekt seit langem: Bremer Kaufleute wehren sich gegen diese zusätzliche Konkurrenz, und die Umland-Gemeinden würden ein Einkaufszentrum an der Landesgrenze als Kriegserklärungen gegen die Beteuerung Bremens empfinden, daß Kooperation an die Stelle von Gewerbebiets-Konkurrenz mit dem Umland treten soll.
Drittes Beispiel der Wirtschaftsbehörde: Sandentnahme im nordöstlichen Werderland. „Selbst wenn dort der geplpante See in die Schutzzone hineinragen würde, käme dies dem Vogelschutz wohl eher zugute, da neue Rastplätze für Wasservögel entstehen würden“, sagt der BUND.
Vor allem ärgert sich das Wirtschaftsressort über die Tatsache, daß das Niedervieland III der EU als Vogelschutzgebiet gemeldet wurde, da hier Straßen gebaut werden sollen. Aber, entgegenet Umweltsenator Fücks, dieses Gebiet hat die Bürgerschaft unter besonderen Landschaftsschutz gestellt. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist erforderlich, wenn die B 212 oder auch die A 281 da gebaut werden sollen. Wenn es eine zwingende Notwendigkeit für diese Straßenprojekte gibt - und davon ist auch Fücks überzeugt - werden über die UVP nur noch die Ausgleichsmaßnahmen geregelt.
Der Experte vom Bremer Institut für Umweltrecht (IUR), Dr. H. Baumeister, ist dem Umweltsenator mit einer juristischen Notiz zur Seite gesprungen und hat auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 2.8.1993 verwiesen. „Wenn die inhaltlichen ornithologischen Kriterien erfüllt sind“, so faßt der Jurist das sog. Santona-Urteil zusammen, dann unterliegen diese Gebiete auch ohne förmliche Meldung der Vogelschutzrichtlinie der EU; ornithologisch wertvolle Gebiete zu melden liegt nicht im Ermessen der zuständigen Behörden, sondern ist nach EG-Recht „zwingend erforderlich“.
In dem ursprünglichen Streitpunkt zeigt sich der BUND versöhnlich: Den 200 Meter breiten Streifen des Binnendeichgebietes in der Hemelinger Marsch aus den Vogelschutzgebieten herauszunehmen sei „vertretbar“, wenn auch nicht wünschenswert, schreibt der BUND.
Für Fücks ist es „der alte Grundsatzkonflikt“, der jetzt wieder hochgekocht wird. Es gebe im Flächennutzungsplan, dem auch der Koalitionspartner FDP zugestimmt hat, „auf absehbare Zeit ausreichend Gewerbeflächen, sagt Fücks. Der neu entfachte Streit um grüne Wiesen am Stadtrand sei „sachlich nicht begründet“. Obwohl in allen anderen Bundesländern die Anmeldung der Vogelschutz-Gebiete ohne Beschluß der jeweiligen Landesregierung direkt durch die Behörden passiert sei, stimme er der Verfahrenskritik zu - in Bremen hätte der Senat befaßt werden müssen. Dies werde jetzt „umgehend“ nachgeholt. Solange sollten die bisherigen Behörden-Anmeldungen als vorläufig betrachtet werden.
K.W.
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