: Visionen einer friedlichen Ökonomie
■ Vorabdruck aus einem Aufsatz von Johan Galtung zu „Visionen einer friedlichen Welt“ in der Zeitschrift 'Levithian‘ Nr. 3/88
Die Ökonomie als Wissenschaft wird, fürchte ich, umgeschrieben werden müssen, wenn sie in einer friedlichen Welt der Kooperation und Nicht-Aggression eine Rolle spielen will. In einer solchen Welt würde das, was heute als Ökonomie durchgeht, für einen seltsamen Auswuchs einer Zivilisation gehalten werden, die zwar einige brillante Höhepunkte des Wohlstands aufweist, die ihrerseits jedoch ohne Zonen allgemeinen Elends nicht möglich wären; einer Zivilisation, die die Ungleichverteilung von Erfolg und Leid zu einem einzigen kohärenten Gebilde - „moderne wissenschaftliche Ökonomie“ genannt - zusammenfügt.
Die Erfolge sind dem Zentrum und das Elend ist der Peripherie des Systems vorbehalten.
Es ist hier nicht der Ort, Details auszuführen. Der Hinweis möge genügen, daß es zwei Formen von Selbsthilfe (selfreliance) gibt: eine auf nationalem und eine auf internationalem Niveau; sie gründen auf zwei Maximen:
-Erstens: Versuche soviel wie möglich mit nationalen oder gar lokalen Produktionsfaktoren (Natur, Arbeit, Kapital, Forschung und Verwaltung) herzustellen.
-Zweitens: Wenn die nationalen oder lokalen Möglichkeiten erschöpft sind, versuche, die nötigen Güter auf der Basis von Tausch (Handel) zu bekommen - eines gerechten Tauschs mit wechselseitigem Nutzen.
Hinter diesen Organisationsprinzipien ökonomischen Handelns steht das Bemühen, ernsthaft und folgenreich mit dem umzugehen, was Ökonomen so generös „externe Effekte“ nennen: mit Kosten und Nutzen, die in den offiziösen wissenschaftlichen Berechnungen gar nicht erst zu Buche schlagen. Gemeint sind damit die Kosten, die durch die ökologische Schädigung der natürlichen Ressourcen und der Umwelt verursacht werden - aber auch der mögliche Nutzen für die natürliche Umwelt, den ein ökologisch bewußtes Handeln zur Folge haben könnte.
Die Kosten, die durch die physische und geistige Schädigung und Erniedrigung der Menschen verursacht werden - aber auch der Nutzen, den die Menschen daraus ziehen würden, wenn sie vor neue Aufgaben gestellt sind, neue Erfahrungen machen und in entwickelten sozialen Netzen spüren, daß sie einen Wert haben; die Kosten, die die Konzentration der Macht um die ökonomischen Entscheidungsinstanzen herum für das gesellschaftliche Ganze verursacht - aber auch der Nutzen, den dichte soziale Netzwerke bringen werden, in die die ökonomischen Kreisläufe eingebettet sind.
Und schließlich die Kosten jener dauernden strukturellen Konflikte, die eine Folge aggressiven Wirtschaftshandelns sind und imperiale Durchdringung sowie Abhängigkeit erzeugen - aber auch der Nutzen, den eine auf Kooperation beruhende Weltordnung bringen würde, die von Wirtschaftsbeziehungen mit gegenseitigem Respekt geprägt wäre.
Unter Ausbeutung verstehe ich jede hochgradig ungleiche Verteilung von externen und internen Kosten, wobei letztere den ökonomische Wert der Güter und Dienstleistungen darstellen, die im ökonomischen bzw. Marktkalkül tatsächlich auftauchen. Produziert man, auf nationalem oder lokalem Niveau, für den eigenen Konsum (Selbsthilfe I), werden die externen Effekte internalisiert: sie bleiben im Land und bilden einen Anreiz, die Ökonomie so zu organisieren, daß die positiven Folgewirkungen die negativen bei weitem überwiegen.
Kommt es aber zum Handel, dann nach folgender Regel (Selbsthilfe II): Organisiere den Tausch so, daß die positiven Folgewirkungen die negativenimmer noch überwiegen, und teile dann die Nettosumme der Folgewirkungen (die eine positive ist) gleichmäßig auf.
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