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Archiv-Artikel

Village Voice Die Tage und Nächte der Sekretärin Barbara

Angie Reed und die wilde Welt weiblicher Wünsche

Am Anfang waren die Bilder Angie Reeds, kolorierte und beklebte Bleistiftzeichnungen von Frauen und häuslichen Szenen. Auf den ersten Blick schienen sie – bei aller Nacktheit – putzig, auf den zweiten erzählten sie auch von traurigen Träumen, von Einsamkeit, Sehnsucht nach Liebe und subtiler Erotik. Dann stellte Angie Reed, die ehemalige Bassistin von Stereo Total, die auch durch diverse Gastauftritte bei den Goldenen Zitronen, Aavikko und Peaches aufgefallen ist, aus ihren Zeichnungen eine Diashow zusammen, die sie mit schräger Synthiemusik und käsigen Reimen begleitete und auf Partys vorführte. Nach und nach erschuf sich Angie Reed bei dieser Multimedia-Rap-Show ihr Alter Ego Barbara Brockhaus, eine gelangweilte Sekretärin, die gereimte Episödchen vorträgt und anzügliche Lieder zum Besten gibt – Lieder, die sich verspielt und gewitzt um die Darstellung verschiedenster weiblicher Charaktere und Klischees drehen.

Die in dieser Show erprobten Songs präsentiert Angie Reed nun auf ihrem Debütalbum „The Best Of Barbara Brockhaus With Music For The LaZy And Not The BureaucraZy!“. Während die Büro-Barbara wenig Lust hat zu arbeiten, schon gar nicht für ihren blöden Chef („I don’t do dirty work, sucka!“), und sich lieber fantastischen, zartbitteren Tagträumen von Karriere, Männern, Ehe und Kinderkriegen hingibt, begibt sich Nachtleben-Barbara in ihren wackeligen Ghetto-Techno-Liedern in dunklere Gefilde und taucht als verdorbenes Highschoolgirl, rotzbesoffenes Partychick, zukünftige Haremsdame, angrifflustige Besitzerin dreier Brüste oder freiwilliges Opfer eines animalischen Urwaldgigolos auf.

Voll gestopft mit Symbolen und Botschaften sind die Lieder von Angie Reed als Barbara Brockhaus – eine verwirrende Märchenhölle voller erotischer Anspielungen. Barbara über sich und ihre Mitbewohnerin: „We both enjoy having fun. She has fun written between her legs and fun is always on the tip of my tongue.“ Lieder wie „Psychic Dick“, „Lose Those Pants“ und „Nocturnal Itch“ rücken scheinbar in gefährliche Nähe zu klassischem Dumpfbacken-Rap, aber genau damit spielt Miss Reed und überdreht das Ganze maßlos, wenn sie ihre Kreation der weißen Sekretärin à la Peggy Bundy mit den Gesten schwarzer HipHopper posen lässt und deren beschränktes sexuelles Vokabular mit ihrem ungeheuren Wortwitz übertrumpft. Bei der Wahl ihrer Beats steht Miss Reed zur Booty-Stumpfheit, über die sie trashige Bässe und schräge Effekte eiern lässt.

Dazu gesellen sich schleppende Schrammelgitarren, die sich lieber hinsetzten als abrocken, und manchmal auch recht schmerzhafte Sounds. Singend, rappend oder einfach nur redend turnt an all diesen Geräten Angie Reeds comichafte Stimme von quietschig bis verführerisch, und so entsteht ein selbst gebackener Trash-Garagen-Booty-HipHop-Elektrokuchen. Das Album ist kein ausgereiftes musikalisches Werk, was aber auch nicht das Ziel war, sondern eher als Schnappschuss gedacht.

Als solcher gibt es einen äußerst unterhaltsamen Einblick in das ebenso fröhliche wie tiefgründige Spiel, das Angela Reed alias Barbara Brockhaus mit Klischees und Tabus aus der wilden Welt weiblicher Wünsche treibt. Ihr ist eine originelle und frische Platte gelungen, reich bebildert und mit zwei selbst geschnitzten Videoclips versehen. Einfach unwiderstehlich, dieser Charme des Erstlingswerks.

OLGA-LOUISE DOMMEL

Angie Reed presents the Best of Barbara. Chicks On Speed Records/EFA, erscheint am 18. 4.