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Vilém Flusser: Glossar

Vilém Flusser, geboren 1920 in Prag, Emigrant in London, Student und später Professor der Philosophie in São Paulo, kam 1972 nach Europa zurück. Er starb im vergangenen Oktober bei einem Verkehrsunfall bei Prag. Das komplette Glossar und mehr zu Flusser in „European Photography Nr.50“ (European Photography-Verlag, Göttingen), 15DM.

Phänomenologie: Die phänomenologische ist eine spezifische Schau der Dinge, die darauf abzielt, an ihnen Aspekte aufzudecken, welche der üblichen Schau durch Gewohnheit verdeckt sind. Sie erfordert Muße („époche“), um Vorgefaßtes über das betrachtete Ding auszuklammern. Wenn man mit dieser Methode die uns umgebenden Dinge anschaut, dann kann man sie in drei Gruppen ordnen (wenn auch dieses Ordnen immer prekär bleibt). Nämlich in Dinge, die man in ihrer Gesamtheit „Kultur“ nennen könnte. In Dinge, hinter denen solche Entwürfe nicht zu entdecken sind: die „gegebenen“ Dinge, die man in ihrer Gesamtheit „Natur“ nennen könnte. Und in Dinge, in denen sich der Beschauer selbst erkennt, weil sie ihm nicht Widerstand leisten (also keine echten „Dinge“ sind), sondern den Beschauer ihrerseits zu erkennen versuchen: die „anderen“, die man in ihrer Gesamtheit „Gesellschaft“ nennen könnte.

Projekt: Angesichts der nunmehr zerstückelten Welt sind wir nicht mehr Subjekte von Objekten (Untertanen von Gegenständen), dafür aber Projekte für Alternativen. Die Existenz stülpt sich wie ein Handschuh um, und es gilt nicht mehr, sich von Bedingungen zu befreien, sondern vielmehr, sich dank Verwirklichung von Möglichkeiten zu realisieren. Wie immer man dies ausdrücken mag, es kommt immer auf das gleiche heraus: Wir verfügen über Techniken, welche uns erlauben, unsere in Zahlen verschlüsselten Projekte (Absichten, Träume) durch immer bessere Raffung (Definition) immer perfekter zu konkretisieren.

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