Vietnams Regierung mischte sich ein: WWF empfiehlt den Pangasius nun doch
Erst riet der WWF wegen Umweltproblemen, keinen Pangasius aus Vietnam zu essen. Jetzt intervenierte die dortige Regierung – und der WWF zog seine Warnung zurück.
STOCKHOLM taz | Als einen geschmacklosen, nährstoffarmen Industriefisch qualifizierte ihn Wolfram Siebeck in der vergangenen Woche im Zeit-Magazin ab. Der Meinung sind auch andere Feinschmecker. Trotzdem gehört der Pangasius zu den meistgekauften Fischen in Deutschland. Kein Wunder: Er ist sehr preiswert.
Vermarktet als Alternative zu dem vom Aussterben bedrohten Kabeljau, trägt seine massenhafte Zucht in Wirklichkeit nicht nur zu einem weiteren Leerfischen der Ozeane bei, sondern die Aquakulturen, in denen er vor allem in Vietnam gezüchtet wird, haben sich dort zu einem gewaltigen Umweltproblem entwickelt. Von einer "drohenden Katatstrophe" spricht Võ Tòng-Anh von der landwirtschaftlichen Fakultät der im südwestvietnamesischen Long Xuyên gelegenen An-Giang-Universität in einer Reportage, die der schwedische Rundfunksender Sveriges Radio kürzlich austrahlte.
Bis zu 300.000 Fische würden in gerade einmal 100 mal 50 Meter großen Becken gehalten. Das verunreinigte Wasser aus solchen Anlagen, in denen jährlich mindestens eine Million Tonnen Fischkot landeten, werde einfach in den nahe gelegenen Mekong geleitet. Das zerstöre die Lebensgrundlage der dort natürlich lebenden Süßwasserfische, von denen sich die lokale Bevölkerung ernähre. Und um das Fischmehl für das Futter zu produzieren, mit dem der Pangasius gemästet werde, würden die vietnamesischen Küstengewässer leergefischt. Fazit der Reportage: In Europa komme ein Fisch auf den Tisch, dessen Aufzucht in Vietnam die Umwelt zerstört.
Die Umweltorganisation Greenpeace stuft in ihrem Fischratgeber den Verzehr des Pangasius denn auch als "grundsätzlich nicht vertretbar" ein. Anders der WWF. In seinem im Dezember veröffentlichten Ratgeber leuchtet beim Pangasius je nach Herkunft die rote, gelbe oder grüne Ampel auf. Bezüglich Vietnams findet sich dort der bislang nicht übliche Hinweis "Zucht in Umstellung". Noch Ende Oktober 2010 hatte der WWF Pangasius aus Vietnam als Fischart geführt, die man "besser nicht" kaufen sollte.
Was hatte sich zwischen Oktober und Dezember geändert? Der WWF habe Druck der vietnamesischen Regierung nachgegeben, berichtet Sveriges Radio. Unter Bezug auf nicht näher genannte Quellen behauptet der Sender, die vietnamesische Regierung habe dem WWF gedroht, alle seine Aktivitäten in Vietnam zu verbieten, wenn der Pangasius - mittlerweile eines der wichtigsten Exportprodukte des Landes - nicht von der Roten Liste gestrichen werde.
Es habe tatsächlich derartige Drohungen seitens des stellvertretenden Landwirtschaftsministers gegeben, bestätigt der beim WWF International für Fischereifragen zuständige Mark Powell dem schwedischen Sender: "Unsere Angestellten in Vietnam waren besorgt, dann gar nichts mehr bewirken zu können und auch ganz ihre Arbeit zu verlieren."
Der WWF habe sich deshalb mit Hanoi auf einen "notwendigen Kompromiss" geeinigt, sagt Powell: Der Pangasius sei von der Roten Liste gestrichen und die neue Kennzeichnung "Zucht in Umstellung" eingeführt worden. Die Produzenten versprachen, die Zucht bis 2015 auf eine Praxis umzustellen, die dem internationalen Zertifizierungsstandard Global GAP entspricht.
Den KonsumentInnen einen Kauf empfehlen, obwohl sich an den kritisierten Zuständen noch jahrelang nichts ändern wird? Inger Näslund von WWF Schweden rechtfertigt das: "Die Basis des WWF ist der Dialog." Man könne hoffen, dass der Dialog zu einer Verbesserung führe. Bengt Ingelstam vom schwedischen Verbraucherverband SKIS sieht das anders: "Was ist dann so eine Einkaufsempfehlung wert? Da verliert man doch das Vertrauen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?