■ Vier gleichermaßen unangenehme Themen aus der Wissenschaft gründlich beleuchtet: Computer und Tod, Tod und Computer: Der letzte Klick: Aus mit Maus!
Computer: Bekanntlich haben es diese ausgefuchsten Plastikkisten weit gebracht. Ihre Helfer, hörige menschliche PC-Sklaven, schleusen sich in die intimsten Bereiche menschlichen Seins. Bisheriger Höhepunkt schien das Gerede vom Cybersex nach dem Motto „Digital ist besser“. Allerdings konnte man dieser lächerlichen Selbstbefriedigung mittels eines Handschuhs noch eine heitere Seite abgewinnen. Jetzt aber geht es um das Ende der Fahnenstange, um den Tod. Jener hatte bisher mit dem Begriff Computer wenig am Hut. Doch nun erwischt es auch das Sterben, weshalb in Folgendem auf die englische Entsprechung der Worte „Zwischennetz“ und „Fenster“ nicht verzichtet werden kann. Das ist zwar grausam, paßt aber zum Sujet.
Wie eine madrilenische Tageszeitung in ihrer „Internet“-Ausgabe (http://WWW.elpais.es) schreibt, entwickelte ein australischer Arzt namens Philip Nitschke eine „Maschine des Todes“, um sterbenskranken Patienten die Entscheidung, diese Welt zu verlassen, in die eigenen Hände zu legen. Diese Maschine erlaube die selbstbestimmte Einnahme exekutierender pharmazeutischer Produkte. Dabei werde, jetzt kommt's, die tödliche Medikamentengabe vom Patienten mit Hilfe eines Computers selbst ausgelöst. Laut Bericht mit „drei einfachen Befehlen“. Herr, Gott, Sakrament!
Der Selbstmord am Rechner verspricht einiges, ist irgendwie virtuell und doch so echt. Er hat das Zeug dazu, das neue Trendthema im ohnehin depressiven November zu werden, weil der echte Software-Hardware-Fetischist nach weiteren Informationen giert. Kein Wort verliert El Pais nämlich über die nötigen Systemvoraussetzungen; auch wird die graphische Oberfläche der drei ultimativen Befehle nicht näher beschrieben. Fest steht nur, daß das Programm beim Kauf eines Vobis-Computers derzeit noch nicht installiert ist. Weltweit darf es nämlich nur in jener australischen Region betrieben werden, wo es seit kurzem ein Gesetz zum „schönen Tod“ gibt. Dort soll sich ein Herr Bob Dent am 22. September dieses Jahres tatsächlich mit Hilfe eines Computers umgebracht haben. Oder soll man sagen „ausgeklickt“?
Angesichts der Kumpanei von Tod und Computer drängen sich ethische Fragen auf wie: Mac oder PC? DOS oder Windows 95? Handelt es sich um eine verzwickte Tastenkombination, die man sich merken muß? Oder um einen einfachen finalen Mausklick? Vorerst muß spekuliert werden, doch vermutlich beziehungsweise im schlimmsten Fall läuft die Software unter Windows 95, und Gevatter Tod erscheint als Icon mit dem Gesicht von Bill Gates, was ja zu deutsch in etwa „Abrechnung an der Pforte“ heißt.
In jedem Fall wäre dem User eine audiounterstützte zweimalige Nachfrage zu wünschen, damit der unachtsame Computerfreak im Notfall noch die Hotline anrufen kann. Zu denken wäre an eine Lebensrückversicherung wie: „Do you really want to cancel?“ Folgte dieser Frage ein positiver Mausklick, könnte abschließend ein Fenster erscheinen mit der freundlichen, aber bestimmten Empfehlung: „Save your Soul to disk!“
Es bleibt der Epilog. Wie nicht anders zu erwarten, hat die ganze Geschichte auch etwas mit Internet zu tun. Software und Bauanleitung der Todesmaschine sollen demnächst von Herrn Nitschke ins Netz eingespeist werden. O weh, weh, weh. Martin Unfried
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