Die Vorschau: Vier gegen die Jazzpolizei
■ Das Böse Ding sind musikalische Grenzgänger. Sie konzertieren im KITO
Musikalische Grenzen bestehen für die Formation „Das Böse Ding“ ausschließlich in den Köpfen der Zuhörer. Deswegen gehen sie recht rüde und respektlos mit solch antiquierten Stil-Schubladen wie Hardbop, Swing, Rock, Freejazz oder Pop um und verarbeiten all diese unterschiedliche Musik zu ihrem ganz eigenen Jazz-Universum.
Ungewöhnlich ist auch die Instrumentierung des Quartetts. Zwar treten sie recht jazztypisch mit Schlagzeug (Wolfgang Ekholt), Bass (Hartmut Kracht), Saxofon (Jan Klare) und Vibrafon (Tom Lorenz) an, bearbeiten im Laufe des Konzerts aber auch Megafone, Radios, Trillerpfeifen, Radkappen und andere Metallwaren. Die Band improvisiert damit nicht einfach nur innerhalb der einzelnen Titel über bestimmte vorher festgelegte Formen oder Harmoniefolgen. Nein, die Musiker springen sogar auf ein kleines musikalisches Einsatz-zeichen mitten in einem Titel zu einem völlig anderen Stück, so dass heftiger Punkrock plötzlich zu einem langsamen Walzer mutieren kann.
Für eine gewisse Spannung oder Atmosphäre wird auch schon mal das Timing verändert und der Rhythmus variiert. Darüber dürfte allerdings nur die „Jazzpolizei“ ernsthaft verärgert sein, das Publikum jedoch hat mit diesem spannenden Stilcrossover und seiner überraschenden Präsentation sicher eine Menge Spaß.
Diese ausgefuchste Art des Herumspringens in ihrem ungefähr 40 Titel umfassenden Repertoire klappt auch nur, weil die Band nunmehr seit sechs Jahren zusammen musiziert, bestens aufeinander eingespielt und handwerklich auf allerhöchstem Niveau ist. Dadurch können sie unmittelbar auf Stimmungen im Publikum reagieren und dessen Feedback in ihrer Musik verarbeiten.
Langeweile durch Routine ist der Band ein Gräuel, obwohl sie es sich durch ständige Wiederholung von „bewährten“ Phrasen und musikalischen Floskeln doch wesentlich einfacher machen könnten. Sie versuchen sich jedoch lieber ständig an Neuem und treten der guten alten Tante Jazz dabei ordentlich in den Hintern. Auf jeden Fall geraten ihre Auftritte damit für das Publikum und auch die Band selbst immer neu und aufregend.
Andreas Brüning
Konzert am 27. Januar um 20 Uhr im KITO, Alte Hafenstraße 30
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen