Vier Prozent minus: Bio-Markt bricht ein

Der Absatz von Bio-Lebensmitteln ist 2009 um vier Prozent zurückgegangen, so eine Umfrage. Davor war das Bio-Segment fast ein Jahrzehnt lang gewachsen.

Der Verkauf von Bio-Lebensmitteln ist rückläufig - erstmals seit langer Zeit. Bild: ap

BERLIN taz | Die große Party in der Biolebensmittelbranche ist vorbei: Von Januar bis Juni haben die Menschen in Deutschland erstmals weniger für Ökoprodukte ausgegeben als vor einem Jahr.

"Das Minus im ersten Halbjahr für Biolebensmittel und -getränke liegt bei vier Prozent", sagte Experte Helmut Hübsch vom renommierten Marktforschungsinstitut GfK Panel Services der taz. Auch der Anteil von Ökoprodukten am gesamten Lebensmittelmarkt sei "signifikant" gesunken: von 3,2 Prozent vor einem Jahr auf nun 3,0 Prozent. Das Unternehmen befragt für seine repräsentative Studie 30.000 Haushalte zu ihren Konsumausgaben.

In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hatte die GfK einen Zuwachs von mehr als zehn Prozent bei Ausgaben für Öko registriert. Seit Jahren wächst der Umsatz der Branche meist im zweistelligen Prozentbereich.

Zuletzt verlangsamte sich das Wachstum, 2008 verkauften die Bios aber dennoch Ware für 5,8 Milliarden Euro und damit zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Das war immer noch ein Wachstum, von dem die konventionelle Lebensmittelbranche noch nicht einmal zu träumen wagte.

Doch das hat sich jetzt umgekehrt, glaubt man den GfK-Zahlen. Die gesamte Lebensmittelwirtschaft musste demnach nur ein Minus von 0,5 Prozent hinnehmen. Das Statistische Bundesamt bezifferte den Rückgang am Montag auf 2,1 Prozent. Der gesamte Einzelhandel büßte 2,3 Prozent ein. Die Differenz zu den GfK-Daten liegt an den unterschiedlich ausgewerteten Warengruppen, aber die Tendenz ist gleich.

Bei den Bioausgaben kamen laut GfK weder Fachgeschäfte, Discounter, noch Supermärkte oder SB-Warenhäuser wie Real ungeschoren davon: Alle hätten ein zum Teil dickes Minus kassiert, sagt Marktforscher Hübsch. "Bei den Discountern ist nur noch Aldi positiv." Aldi Nord hatte Biomilch ins Sortiment aufgenommen und so zusätzlichen Umsatz geschaffen.

Als eine Ursache für den Rückgang nennt Hübsch die Übernahme der Filialen des Discounters Plus durch den Konkurrenten Netto. Dabei sind viele Bioprodukte von Plus aus dem Sortiment geflogen. "Aber der Verbraucher wird auch ein bisschen biomüde", ergänzt der GfK-Mitarbeiter. Es häuften sich Artikel in den Medien, die Bio nicht gut bewerten. Etwa wenn in Tests Ökowürstchen mangelhaft abschneiden.

Da sei es dann auch nicht gerade hilfreich, wenn Bio so viel teurer als konventionelle Produkte war wie in einem Großteil des letzten Halbjahrs. "Das führt dazu, dass manche von Bio weggehen. Mit der Wirtschaftskrise hat das nichts zu tun. Die Krise ist beim Endverbraucher noch nicht in dem Maße angekommen", so Hübsch.

Die Verteter der Bio-Branche wollen trotz der GfK-Zahlen nicht von einer Trendwende sprechen. "Die Signale, die ich aus der Naturkostbranche habe, sind deutlich positiver", sagt etwa der Chef des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Felix Prinz zu Löwenstein. Das Minus bei den Ausgaben für Bio könne auch daran liegen, dass die Preise gefallen sind - also nicht, dass die Leute weniger Ware gekauft hätten.

Auch Deutschlands größter Ökobauernverband Bioland geht weiter von einem wenn auch geringen Wachstum für das Gesamtjahr aus. Sprecher Gerald Wehde verweist auf die Auslistungen bei Plus/Netto. "Das heißt nicht, dass die Verbraucher nicht mehr kaufen wollen, sondern dass sich das Angebot verkleinert hat."

Seine Zuversicht begründet Wehde damit, dass die Menschen sich in der Krise auf Werte besinnen würden, für die Bio stehe. "Es gibt Megatrends wie Gesundheitsbewusstsein, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Da passen wir gut rein", argumentiert Wehde.

Das Problem mit der Verteidigungslinie der Bio-Lobbyisten ist, dass sie ihre Argumente nicht mit Zahlen belegen können. Wie stark die sinkenden Preise auf die Umsätze gedrückt haben, kann Löwenstein nicht beziffern. Er räumt ein, dass seine Zahlen nicht aus dem konventionellen Lebensmittel-Einzelhandel stammen. Der verkauft aber mehr als 50 Prozent der Öko-Produkte in Deutschland.

Horst Hartmann, einer der bekanntesten Berater von Biofachgeschäften, hält einen Ausgabenrückgang wie von der GfK festgestellt denn auch für realistisch. "Das würde mich nicht wundern", sagt er. Die Preissenkungen könnten den Rückgang nicht komplett erklären.

Hartmann diagnostiziert eine "gewisse Sättigung". Bisher wuchs der Markt vor allem, weil immer mehr Produkte nun auch in Bio-Qualität angeboten wurden. Aber mittlerweile gebe rund 60.000 Öko-Produkte. "Da fällt es den Herstellern schwer, weitere Neuheiten auf den Markt zu bringen", sagt Hartmann.

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