Vier Jahre nach dem Putsch: Thailand vor "Rotem Sonntag"

Die Initiative "Roter Sonntag" erinnert an die Toten der Massenproteste. Zum vierten Jahrestag des Militärputsches wachsen die politischen Spannungen.

Protest der Gruppe "Roter Sonntag" in Bangkok. Bild: rts

BANGKOK taz | Es ist ein Straßentheater der besonderen Art: Sogenannte Rothemden, ihre Unterstützer und andere Aktivisten stellen die Ermordung von Demonstranten nach. Sie bemalen sich die Gesichter weiß, tunken Hände und Arme in blutrote Farbe. Auf Kommando lassen sie sich zu Boden gleiten. Die Umstehenden rufen laut: "Hier sind Menschen gestorben!"

So geht es seit Wochen. Dass in Bangkok immer noch Ausnahmezustand herrscht, der Versammlungen von mehr als fünf Personen verbietet, stört die Demonstranten nicht. Viele erscheinen zwar nicht mehr unter dem offiziellen Logo Rothemden-Organisation "Vereinigte Front für Demokratie gegen Diktatur" (UDD), deren Führer wegen Terrorismusvorwürfen in Haft sitzen oder untergetaucht sind. Aber es gehen wieder Gruppen auf die Straße, wenn auch wesentlich kleinere - eine davon ist die Initiative "Roter Sonntag".

"Viele Menschen scheinen längst vergessen zu haben, dass es um die 90 Tote gegeben hat", sagt ein Sympathisant zur taz und schaut zu, wie andere rote Bänder an der Ratchaprasong-Kreuzung anbringen - dort, wo die roten Proteste im Mai von Thailands Armee niedergeschlagen wurden. Die "Roten Sonntage" sind ein Ventil - traumatisierte Angehörige und Anhänger der Roten erhalten dabei Unterstützung von Mitstreitern. Teilnehmerin Aun Aun ist geschockt, wenn sie mit Bekannten über Politik diskutiert: "Es gibt Leute, die meinen, die Betroffenen hätten das bekommen, was sie verdienen", sagt die junge Frau. Sie kann es nicht fassen: "Ich versuche ihnen dann zu erklären, dass die Regierung kein Recht hat, Menschen zu töten oder zu verletzen."

Treibende Kraft des "Roten Sonntags" ist der Anti-Putsch-Aktivist Sombat Boonngamanong. "Ich will daran erinnern, was hier passiert ist", sagt er der taz, "und auch, dass die Regierung Verantwortung übernimmt." Er war Ende Juni wegen eines friedlichen Ein-Mann-Protests für zwei Wochen festgenommen worden. Vor wenigen Tagen tauchte an seiner Seite ein Gesicht auf, das sich erst seit kurzem zur roten Bewegung bekennt: Khattiya Sawasdipol, Tochter jenes Generalmajors, der vom Militärdienst suspendiert und zur UDD übergelaufen war. "Viele haben mir gegenüber ihren Respekt für meinen Vater bezeugt", so die 29-jährige Anwältin, die zunächst bei den "Gelbhemden", den Erzrivalen der Roten, mitgemacht hatte. "Heute bin ich anstelle meines Vaters gekommen, um den Menschen Trost zu geben." Ihr Vater, der für seine radikale Ansichten berüchtigte Generalmajor Khattiya, war im Mai gezielt von einem mutmaßlichen Scharfschützen der Armee erschossen worden.

Am Sonntag wollen die Roten gleich aus zwei Gründen demonstrieren: Dann jährt sich der Putsch gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra zum vierten Mal, und es ist genau vier Monate her, dass die Armee die UDD-Proteste gewaltsam beendet hatte. Aktivist Sombat und seine Gruppe planen unter anderem, mehrere zehntausend rote Luftballons aufsteigen zu lassen. In einer anderen landesweiten Kampagne wollen weitere Rothemden Rosen vor Gefängnissen niederlegen, in denen ihre Anhänger inhaftiert sind.

Indes betrachten Thailands Autoritäten die Vorbereitungen auf das Gedenkwochenende mit Argusaugen: Ein Sprecher des kurz nach Verhängung des Notstands im April etablierten "Zentrums für die Lösung von Notfallsituationen" (CRES) verkündete kürzlich gar, die Aktion mit den Rosen könne als Missachtung des Gerichts ausgelegt werden. Mehrere Funde von Bomben, von denen ein Teil explodierte und Ende Juli einen Menschen tötete, tragen dazu bei, dass der Ausnahmezustand für Bangkok und sechs Provinzen weiter aufrechterhalten wird.

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