Viele fallen durch

Eltern wollen Abitur nach acht Jahren stoppen. Bereits in Klasse sechs Latein und keine Zeit mehr für Freunde

Als kürzlich bekannt wurde, dass der Ausbau der Gymnasien zu Ganztagsschulen verschoben wird, hatte die Elternkammer gefordert, das Abitur nach acht Jahren zu stoppen. Eine Elterninitiative des Gymnasiums Heidberg hat dem jetzt Nachdruck verliehen: „Wir lehnen das achtstufige Gymnasium in seiner jetzigen Form ab“, erklärt die Mutter Meike Ried, „unsere Kinder haben keine Zeit zum Spielen, büffeln fast nur und lernen dabei am Ende weniger als ihre Vorgänger.“ Ihr Sohn Daniel kommt um halb drei aus der Schule und sitzt bis 17 Uhr an Hausaufgaben, „da bleibt für Freunde keine Zeit“.

Daniel besucht die fünfte Klasse. Nach dem Abi-Konzept des Senats werden die überschüssigen Stunden des 13. Schuljahrs in die Klassenstufen fünf bis zehn gepresst, mit der Folge, dass die Fünft- und Sechstklässler jetzt 30 Stunden und ab Sommer in der siebten Klasse sogar 34 Stunden pro Woche haben. „Zählt man Vor- und Nachbereitung dazu, sind die Kinder bald stärker belastet als Erwachsene“, erklärt der Vater Stefan Mewes, der sich um seine elfjährige Tochter sorgt: „Sie packt das, aber Freizeit bleibt ihr kaum.“

Die Eltern vermissen nicht nur die Kantinen für Mittagessen, sondern auch die inhaltliche Konzeption. So bekommen die Schüler schon in Klasse sechs die zweite Fremdsprache wie Französisch oder Latein auf dem Niveau der Bildungspläne der bisherigen siebten Klassen. Da Mewes eine zweite Tochter in der siebten Klasse hat, fragt er sich, ob es genug Ausbildungsplätze gibt, wenn 2010 beide fertig sind.

„Einen solchen Stau wird es beim achtstufigen Gymnasium nicht geben, weil viele Schüler durchfallen werden“, bemerkt die Mutter Gabriele Heinicke. Die Rechtsanwältin beruft sich auf Studien über die Erfolgsaussichten so genannter „D-Zug-Klassen“ in Bayern, Reinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Erschreckende Bilanz: nur ein Viertel schafft das Expressabitur gut, ein Viertel mit Note drei. Die übrige Hälfte ist schlechter oder schafft es gar nicht. Heinicke: „Es gibt keinen Grund für ein Abitur nach acht Jahren, es sei denn, es geht um Auslese.“

„Die Frage ist, ob die Kinder acht oder neun Stunden ohne Rythmisierung und Ganztagsschulkonzept durchhalten“, sagt der Elternkammer-Vorsitzende Holger Gisch. Er hat Bildungssenator Reinhard Soltau jetzt einen Vorschlag unterbreitet. Er möge den Schulen freistellen, ob sie jetzt oder in ein oder zwei Jahren mit dem achtjährigen Abitur beginnen, dann würde manches Problem entzerrt. KAIJA KUTTER