: Viele Mörderinnen sind noch unerkannt
■ Beim Völkermord an der Tutsi-Minderheit in Ruanda waren auch zahlreiche Frauen beteiligt / Heute arbeiten manche in der Flüchtlingshilfe / Lehrerinnen taten sich besonders hervor
Berlin (taz) – Als im vergangenen Jahr in Ruanda etwa eine halbe Million Menschen abgeschlachtet wurden, Angehörige der Tutsi-Minderheit, da waren unter den Mördern auch zahlreiche Mörderinnen. Nach einem am Samstag in London veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation „African Rights“ waren weibliche Angehörige der Hutu- Oberschicht an den Massakern wesentlich beteiligt. „Tausende Frauen wurden von anderen Frauen getötet. Sie starben durch die Hand gebildeter Frauen, die Zugang zur politischen Macht hatten, zu Bildung und Reichtum“, zitiert der britische Guardian den African-Rights-Bericht.
Und weiter: „Das Ausmaß, in dem Frauen eine aktive Rolle bei den Tötungen gespielt haben, ist ohne Beispiel. Die Architekten des Holocaust versuchten, so große Teile der Bevölkerung wie möglich einzubeziehen – Männer, Frauen und sogar achtjährige Kinder. Der Versuch war, eine Nation von Extremisten zu schaffen, zusammengeschweißt durch das Blut des Völkermordes. Wo alle mitgemacht haben, würde es keinen anklagenden Zeigefinger mehr geben.“
Frauen hätten selbst Granaten geworfen und auf unbewaffnete Menschen geschossen, so etwa die Ex-Polizistin Felicitas Semakuba. Und die Benediktiner-Nonne Julienne Kizito holte gemeinsam mit ihrer Mutter Oberin Gertrude Mukangango die Hutu-Armee, um Tausende von Tutsi-Flüchtlingen aus dem Kloster zu vertreiben. „Schwester Julienne hat direkt mit den Mördern zusammengearbeitet. Sie stand in ihrer Mitte, als sie die Flüchtlinge umbrachten, und verteilte kanisterweise Benzin, das in ihrem Beisein dazu benutzt wurde, Menschen bei lebendigem Leibe zu verbrennen, einschließlich eines Tutsi-Angestellten ihres eigenen Klosters.“
Gerade jene Frauen, denen im allgemeinen besonders vertraut würde, wie Schwestern und Lehrerinnen, hätten ihre Stellungen besonders mißbraucht. „Mehr als jede andere Berufsgruppe haben LehrerInnen am Völkermord teilgenommen. Eine Reihe von Lehrerinnen und Schulinspektorinnen hat eine besonders aktive Rolle gespielt. Eine der bekanntesten weiblichen Killer, Angeline Mukandutiye, war Schulinspektorin in Kigali. Sie besuchte die Flüchtlinge in den Kirchen der Sainte Famille und St. Paul – und suchte aus, wer getötet werden sollte.“
Gerade jetzt, so meinen die Autoren des Berichtes, sei es wichtig, den Mörderinnen die Immunität zu nehmen, die sie als Frauen eigentlich immer genießen. Angeline Mukandutiye etwa arbeitete bis vor wenigen Wochen in Goma für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen.“ pkt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen