„Viele Grüße, viele Grüße!“

■ Renaissance der Postkarte: In diesem Monat wird die einhundertmillionste „Edgar“-Gratiskarte verschenkt / Die Post zieht nach Von Timo Hoffmann

„Nichts ist umsonst, nicht einmal der Tod“, sagt der Volksmund. Und doch gilt diese Weisheit nur bedingt. Denn von Hamburg aus ist in den vergangenen drei Jahren eine einzigartige Schenk-Welle über ganz Europa geschwappt, die die Verbraucher nichts kostet und den Hersteller doch bereichert: Gratispostkarten, die in Ständern darauf warten, mitgenommen zu werden.

Die Hamburger Firma „Edgar auf der Karte“ feiert in diesem Monat ein Jubiläum: Sie verschenkt ihre 100millionste Postkarte in einem der bundesweit 1400 Cafés, Kneipen und Kinos, in denen die Kartenständer hängen. Das Prinzip ist eigentlich recht einfach: Etwa die Hälfte aller Karten transportiert Werbung, die andere Hälfte wird von KünstlerInnen gestaltet: Für den Druck und die Verbreitung von 165.000 Postkarten mit einem Werbe-Motiv verlangt der Karten-Service von seinen Anzeigenkunden immerhin 43.000 Mark. Junge Künstler zahlen für die Publizierung ihrer Fotografien, Malereien oder Illustrationen in der gleichen Auflage 240 Mark. Solche Eye-Catcher sollen die KneipengängerInnen zum Mitnehmen der Karten animieren. „Das ist auf jeden Fall eine schöne Symbiose aus Kunst und Kommerz“, klopft sich Pedro Anacker leicht auf die Schulter.

Zusammen mit der Werbekauffrau Nana Bromberg, die die Idee aus einem Dänemark-Urlaub nach Deutschland importierte, gründete er 1992 die Postkarten-Verschenk-Zentrale. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und Skepsis der Kneipiers, haben neben Zigaretten-Firmen auch schon Greenpeace (per Sondertarif) und die nordrhein-westfälische SPD die „Edgar“-Werbung für sich entdeckt.

Ab kommenden Montag will sich auch die Post im Verteilen von Gratispostkarten versuchen. In 60 Hamburger Postfilialen warten über 500.000 „PostCards“ mit historischen Stadtansichten, Werbung und dem unvermeidlichen „Rolf“ darauf, beschrieben zu werden. Angst vor Konkurrenz hat „Edgar“-Chef Anacker nicht: „Wir haben eine viel jüngere, aktivere Zielgruppe“. Außerdem führe er bereits mit der Post Kooperationsgespräche zur Verteilung der in Zeiten von Internet noch immer so beliebten Korrespondenzkarten.

Um die durchnummerierten Gratiskarten hat sich schon eine richtige Sammlerschar gebildet: Anacker weiß von etwa 2000 festen Fans. Die KünstlerInnenkarten sind in den Kneipen natürlich schneller vergriffen als die Reklamekarten. Anacker freut sich nicht nur, daß seine Werbung verschickt und dann oft auch aufgehoben wird, sondern ist sogar sicher, daß die Postkarte durch „Edgar“ in jüngster Vergangenheit eine wahrhaftige Renaissance erlebt hat.