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Viel Wohlwollen, wenig Geduld

■ St. Georg: Nur eine „konzertierte Aktion“ kann noch helfen Von Sannah Koch

Wohnungen statt leere Büros, Geschäfte statt Spielhallen, Hotels statt Bordelle, Wochenmarkt statt Drogendeal: Widerspruch wird niemand ernten, der für den Problemstadtteil St. Georg Handlungsbedarf anmeldet. Doch Möglichkeiten, das Quartier vor der drohenden Verslummung zu retten, gibt es viele. Und über die kann und wird gestritten werden. Ein jetzt erstelltes Maßnahmenkonzept für St. Georg belegt dies deutlich.

Drogen-Elend, Prostitution, Gewerbeabwanderung, Büro-Leerstand und der Siegeszug von Sex-Shops und Spielhallen auf dem Steindamm – über all das ist bereits viel geklagt worden. Doch wie Abhilfe schaffen? Das will die Stadtentwicklungsbehörde (Steb) jetzt von dem Sanierungsträger ASK (Arbeitsgruppe für Stadtplanung und Kommunalbau) wissen. Der hat in ihrem Auftrag ein „Integriertes Handlungs- und Maßnahmenkonzept“ erarbeitet – das, wie eine Veranstaltung am Mittwoch abend zeigte, von den Anwohnern mit viel Wohlwollen, aber mit wenig Geduld und Hoffnung aufgenommen wird. Ein Bündel von Maßnahmen zur sozialen Lage (neue Sozialdienststelle, Kitas, Ganztagsschule), Drogenhilfe (Gesundheitsräume, Übernachtungsplätze), Stadtteilentwicklung (Grünanlagen, Sanierungsgebiete) und Verkehr (Tempo 30, Anwohnerparken) hat der Sanierungsträger geschnürt.

Drei Punkten widmete er Priorität: der Erstellung eines „Entwicklungskonzepts Steindamm“, der Erneuerung des Pensionsgewerbes (Eindämmung der Prostitution) und der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbilds. „Der Steindamm ist neuer Kristallisationspunkt für unsere Probleme“, so klagen die Gewerbetreibenden, „uns droht die Pleite, die Kundschaft bleibt aus.“ Wer es sich leisten konnte, zog in den vergangenen Monaten vom Steindamm weg. Die Haspa, ein Schuh- und ein Lebensmittelgeschäft, die Boutiquen – sie alle räumten für Sex-Shops und Spielhallen das Feld. Selbst die Umweltbehörde verläßt bald das Viertel. Genauso machte es eine Reihe von Firmen auf dem nördlichen Steindamm – dort stehen inzwischen 30.000 Quadratmeter Büroraum leer.

Die Lösungsvorschläge der ASK sind dennoch nicht unumstritten. „Umkehren können wir die Entwicklung nicht, aber wir können versuchen, sie zu stoppen“, so ASK-Geschäftsführer Andreas Pfadt. Dazu müßte in den Bebauungsplan eine Klausel, die den Zuzug von Sex-Shops und Spielhallen unterbindet. Rein rechtlich kein Problem. „In unserem Interesse wär's schon“, sagt Bezirksamtsleiter Peter Reichel, aber in der Stadt gebe es unterschiedliche Interessenslagen. “Denken Sie nur an Wirtschafts- und Steuerbelange.“

Ähnlich problematisch bewertet Reichel einen anderen ASK-Vorschlag. Der soll verhindern, daß die Billigpensionen nach Reduzierung der Flüchtlingsunterbringung wieder umgehend zu Bordellen werden. „Diese Häuser sollten vom Senat oder einem anderen Träger gekauft und an seriöse Hoteliers weiterverkauft werden“, so Pfadt. „Sowas haben wir dem Senat schon vor Jahren vorgeschlagen“, winkt Reichel jedoch ab, „doch dafür müßte die Stadt über ihren eigenen Schatten springen.“ Das allerdings hat sie bislang nie getan.

Die Gewerbetreibenden machten am Mittwoch deutlich, daß sie nicht mehr lange auf Veränderungen warten können und wollen. „Wenn das alles noch Jahre dauert, ist das Viertel tot“, sagte ein Diskutant unter dem Beifall der anderen. Wenigstens gegen die Verschmutzung der Straßen müsse man sofort vorgehen. Auch dazu hat der ASK eine Idee: Ein Projekt Stadtteilpflege, das aus Mitteln der Stadtreinigung, der Grünpflege und Zuschüssen der Geschäftsleute finanziert wird. Bei denen stieß der Vorschlag nicht auf Ablehnung.

Für Andreas Pfadt ist St. Georg allerdings nicht mit Einzelmaßnahmen zu helfen, sondern nur mit einer „konzertierten Aktion“. „Hier müssen alle an einem Strang ziehen.“

Ob und wie dies geschehen kann, hängt aber zunächst einmal von der Steb ab – die wird im Herbst über das ASK-Konzept beraten.

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