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„Viel Klarheit“

■ Versuchte Erklärung der chaotischen Verhältnisse am Altonaer Bahnhof

Vorsicht ist geboten. Man weiß ja nie, was die Computer-Software in einer einzigen Nacht ausbrütet. Doch wenn alles nach Plan gelaufen ist, müßte seit heute morgen der Bahnhof Altona wieder als Bahnhof benutzt werden. Das jedenfalls versprach gestern Günter Hammermeister von der Deutschen Bahn AG auf einer Pressekonferenz, die der Klärung merkwürdigster Vorfälle gewidmet war.

Hammermeister und Manfred Brandt von der Siemes AG mühten sich arg, um der versammelten Journaille zu verdeutlichen, warum seit der Einführung eines „ganz großartigen“ Stellwerk-Computers keine Züge mehr fuhren – immerhin drei Tage lang.

Es muß etwa so gewesen sein: Die Bahn AG kaufte das Ding von der Siemens AG, und das Ding war nicht in Ordnung. Mannfred Brandt nannte die Störung, die den gesamten Großbahnhof aushebelte, verschämt einen „verdeckten Fehler in einem Speicher“. Und den habe man jetzt gefunden – das sei doch besser, als wenn der Fehler noch ein paar Wochen im Speicher gelauert hätte. Brandt gab dann doch im Klartext zu: Der Fehler lag bei Siemens. Und ergänzte schnell: Aber nicht bei der Siemens-Hardware, die sei absolut sicher, jeder Rechner verfüge über einen Ersatzrechner. Und zum „weichen“ Problem dozierte der Siemens-Mann: „Es gibt keine ausfallgestützte Software.“

Genau das kann bei der Bahn AG nicht bekannt gewesen sein, sie war während der geheimnisvollen Speichervorgänge ein wenig gelähmt. Nach dem Rechnerabsturz sei eine schnelle Rückkehr zum alten Stellwerksystem technisch nicht möglich gewesen, erklärte Hammermeister. Er versuchte glaubhaft zu vermitteln, daß Bahnbedienstete am vergangenen Sonntag die alten Stellwerke auftragsgemäß kaputt gemacht haben, weil das Computerzeitalter angebrochen war. Es gab kein Zurück.

Richtig so, fand Siemens-Manager Brandt und erläuterte das Prinzip der vergangenen Tage mit den kernigen Worten: „Es gibt eisenbahntechnisch nur die Vorwärtsstrategie.“ Und mit der landet man dann in Pinneberg in der S-Bahn nach Neugraben. Über diese schienengebundene Um- und Schleichwegstrategie mochte dann Bahn-Manager Hammermeister nicht lästern: „Das Ersatzkonzept hat für die Reisenden viel Klarheit gebracht.“ Jürgen Oetting

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