: Viel Geld für Schwerstbehinderten
■ Ein durch ärztliche Fahrlässigkeit bei der Geburt schwerstbehinderter achtjähriger Junge erhielt nach fünf Jahren Rechtsstreit eine ungewöhnlich hohe Entschädigung von einem Gericht zugesprochen
Weiden/Nürnberg (dpa) - Eine der höchsten Entschädigungen in der Geschichte der bundesdeutschen Justiz hat der acht Jahre alte schwerstbehinderte Marco Herzog aus Weiden erhalten. Nach fünf Jahren Rechtsstreit erzielten seine Eltern vor dem Oberlandesgericht Nürnberg einen Vergleich: Neben einer einmaligen Summe von einer halben Million Mark zahlt die Bayerische Versicherungskammer als Haftpflichtversicherer vom Januar 1988 an eine monatliche Rente von 3.000 Mark und außerdem 1.600 Mark im Monat für den Besuch einer Körperbehindertenschule in Regensburg. Daneben kommt die Versicherung für größere „schadensbedingte Sonderaufwendungen“ wie eine rollstuhlgerechte Wohnumwelt ebenso auf wie für die Anstellung einer Pflegehilfskraft und die anfallenden Steuern aus den Zuwendungen. Der Vergleich wurde am 23. Dezember 1987 rechtswirksam. (Aktenzeichen: 4 U 3454/82) Infolge von Fahrlässigkeit bei der medizinischen Versorgung hatte Marco während seiner Geburt am 15. September 1979 im Städtischen Krankenhaus Weiden bedingt durch Sauerstoffmangel schwerste Schädigungen erlitten. Eine beidseitige Atetose (Erscheinungsform der zerebralen Kinderlähmung) macht den Jungen zeitlebens zu einem Intensivpflegefall. Der Achtjährige kann nicht gehen und sitzen, den Kopf nicht halten und ist zu keiner kontrollierten Bewegung seiner Arme und Beine fähig. Die Motorik von Mund und Sprache bleibt für immer gestört. Im krassen Gegensatz zu der hochgradigen körperlichen Behinde rung stehen die geistigen Fähigkeiten des Jungen: „Marco erlebt seine Grenzen ununterbrochen“, so ein Gutachten, „und wird sich seiner Behinderung ständig und sicher in einem sehr hohen Maß schmerzlich bewußt“. Beklagte in dem jetzt abgeschlossenen Zivilverfahren waren die Stadt Weiden, der ehemalige Chefarzt der Gynäkologie, ein Assistenzarzt und eine Hebamme. In einem vorangegangenen Strafverfahren war der Assistenzarzt am 17. März 1983 vom Landgericht Weiden zu 2.700 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Er hatte sich laut Urteilsbegündung durch „Unterlassung schuldig gemacht“.
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