Videoüberwachung in der U-Bahn: Linke löschen lieber früher
Die SPD kann ihren Koalitionspartner nicht von einer längeren Video-Speicherzeit überzeugen. Mit der CDU will sie die Änderung aber auch nicht durchsetzen.
Videobilder aus U-Bahnhöfen werden auch künftig nur 24 und nicht 48 Stunden gespeichert. Die Linkspartei machte jetzt klar, dass sie bei ihrer ablehnenden Haltung zur der Gesetzesänderung bleibt, die die SPD anstrebt. "Für uns ist das nicht Gegenstand einer weiteren Erörterung", sagte Linke-Fraktionschef Udo Wolf der taz. Zwar könnte die SPD die neue Regelung auch mit Hilfe der CDU durchs Parlament bringen, aber das verstieße gegen den Koalitionsvertrag. "Für uns kommt das nicht in Frage", so Sven Kohlmeier, Datenschutzexperte der SPD-Fraktion.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte die längere Datenspeicherung Mitte Mai als Teil eines Sicherheitspakets bei der BVG angekündigt. Dazu gehört im Kern mehr Polizeipräsenz auf U-Bahnhöfen als Reaktion auf diverse brutale Überfälle in diesem Jahr. Die Linkspartei hatte das Sicherheitspaket zwar im Senat mitbeschlossen, aber von Anfang klar gemacht, dass sie eine längere Datenspeicherung ablehnt.
Bei der ablehnenden Haltung blieb es auch, als der Gesetzentwurf Ende Mai das Abgeordnetenhaus erreichte. Dort lag die Linkspartei erstaunlicherweise auf einer Linie mit der FDP, während die Grünen mit einer längeren Speicherung keine übermäßigen Probleme zu haben schienen. Die FDP verwies auf Statistiken, nach denen der Polizei in 99,5 Prozent aller Fälle 24 Stunden Speicherung reichten. Was die SPD da betreibe, sei "bürgerrechtsfeindlicher Populismus", kritisierte FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo.
Auch Linke-Fraktionschef Wolf sah eine drohende Aushöhlung des Datenschutzes: Dann sei man bald bei 72 Stunden und irgendwann bei gar keiner Hürde mehr. Jotzo erinnerte daran, dass selbst Innensenator Ehrhart Körting (SPD) noch im März im Parlament gesagt hatte: "24 Stunden reichen für alle Fälle schwerer Kriminalität nach meiner festen Überzeugung aus."
Der SPD-Abgeordnete Kohlmeier verteidigte die Forderung nach einer Änderung gegenüber der taz auch am Donnerstag. Er verwies auf unterschiedliche Speicherzeiten auf U- und S-Bahnhöfen: Auf Letzteren würden 48 Stunden gelten, weil sie dem Bundesrecht unterliegen - "das leuchtet mir nicht ein". Gerade an Punkten, wo sich die beiden Verkehrsmittel kreuzten, wie an den Bahnhöfen Lichtenberg und Friedrichstraße, sei das besonders unsinnig. Für die längere Speicherung sprechen für Kohlmeier zwei Dinge: "Es erhöht das Sicherheitsgefühl und schreckt potenzielle Täter mehr ab, wenn sie wissen, dass die Bilder länger aufbewahrt werden."
Im Abgeordnetenhaus hatte der zuständige Unterausschuss Datenschutz eine Diskussion auf die nächste Sitzung vertagt. Die aber fiel aus. Wegen des Terminplans des Parlaments wäre es inzwischen - selbst wenn die Linkspartei mitzöge - nur mit einer Sondersitzung des Ausschusses möglich, die Gesetzesänderung noch vor der Wahl am 18. September zu beschließen. Da zum Ende der Legislaturperiode alle nicht beschlossenen Gesetzentwürfe verfallen, müsste eine künftige Regierung einen komplett neuen Anlauf nehmen. "Wir werden das in die nächsten Koalitionsverhandlungen einbringen", sagte Kohlmeier - davon ausgehend, dass die SPD der nächsten Regierungskoalition angehört.
Die CDU hatte zu erkennen gegeben, dass sie eine Änderung des Datenschutzgesetzes unterstützen würde. Alles andere hätte sie auch unglaubwürdig gemacht, da sie Monate zuvor selbst eine längere Datenspeicherung gefordert hatte. Mit den Stimmen der Union wäre zwar eine parlamentarische Mehrheit vorhanden. Der rot-rote Koalitionsvertrag sieht aber vor, dass die beiden Partner nicht gegeneinander stimmen. "Und der gilt bis zum 18. September", so Kohlmeier.
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