Videoüberwachung im U-Bahnhof: BVG lässt tief blicken, Datenschützer erbost
Im U-Bahnhof Kottbusser Tor will die BVG Passanten scannen. Noch fehlen rechtliche Grundlagen und das Geld.
Der U-Bahnhof Kottbusser Tor ist alles andere als ein glänzendes Aushängeschild des öffentlichen Nahverkehrs. Wer hier von der Linie 1 in die Linie 8 umsteigen will, beeilt sich meist, durch verwinkelte Gänge und schummrig beleuchtete Aufgänge möglichst schnell zu seinem Ziel zu finden.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) planen nun, den Umschlagplatz für allerlei Illegales in einen cleanen Musterbahnhof zu verwandeln. Zusammen mit der Polizei will sie ein umfangreiches Kameraüberwachungssystem installieren, um der Kriminalität Herr zu werden. "Wir wollen vor allem den Drogenhandel eindämmen und so für die Sicherheit unserer Fahrgäste sorgen", sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Dabei sollen zunächst die bisherigen Kameras mit festem Fokus durch dreh- und schwenkbare Geräte ersetzt werden. Außerdem könnten hier demnächst auch neue Techniken der Videoüberwachung ausprobiert werden: Eine weitere, verschärftere Variante wären spezielle Kameras mit biometrischem Gesichtserkennungsverfahren oder einem Erfassungssystem für bestimmte Bewegungsabläufe. "Wir untersuchen bislang alle Möglichkeiten, die sich uns bieten. Die Planung steckt aber noch in den Kinderschuhen", meint BVG-Sprecher Wazlak.
Der Datenschutzbeauftragte von Berlin, Alexander Dix, hält die - bisher noch sehr vagen - Pläne der BVG für fragwürdig. "Die biometrische Gesichtserfassung entbehrt bisher jeder rechtlichen Grundlage. Auch die Technik ist noch nicht wirklich ausgereift."
Ein Feldversuch des Bundeskriminalamtes (BKA) zur biometrischen Kameraüberwachung im Mainzer Hauptbahnhof scheiterte 2007 an schlechten Lichtverhältnissen und ständig versagender Kameratechnik. Die Speziallinsen identifizierten wildfremde Menschen als verdächtige Elemente und ließen die Testpersonen unerkannt passieren. Jetzt hoffen BVG und Polizei darauf, dass der technische Fortschritt des letzten Jahres zu mehr Fahndungserfolgen führt.
Bleibt das rechtliche Problem. "Der Versuch in Mainz geschah unter der Voraussetzung der Freiwilligkeit", sagt Dix. Die Versuchspersonen erklärten sich damit einverstanden, dass ihre Gesichter eingescannt wurden. Am Kotti müsste das laut Datenschützer Dix genauso ablaufen: "Es muss absolute Transparenz für die Bürger herrschen, dass hier biometrische Kameras getestet werden. Große Schilder und Informationsmaterial wären das Mindeste." Zwar muss seit 2005 jeder sein Gesicht rastern lassen, wenn er einen neuen Reisepass beantragt. Dennoch ist es noch nicht erlaubt, an öffentlichen Plätzen und ohne Verdachtsmoment Passanten ohne ihr Einverständnis einzuscannen.
Den Ideen von Polizei und BVG mangelt es aber nicht nur an der rechtlichen und technischen Grundlage. Das Wichtigste fehlt: Geld. Denn die neue Überwachungstechnik ist teuer, bisher reicht es eben nur für Schwenkkameras. "Noch hätten wir gar kein Personal, um die biometrischen Daten auszuwerten", sagt BVG-Sprecher Wazlak dazu.
Datenschützer Dix meint entschieden: "Bisher hat mich die BVG noch überhaupt nicht befragt. Ich finde, sie sollten in dieser wichtigen Angelegenheit recht bald auf mich zukommen."
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