Videoüberwachung auf Bahnhöfen: Gesichtserkennung ohne Gesetz?
In Bahnhöfen soll die Polizei nach Verdächtigen suchen – mit Biometriefahndung. Ob das rechtlich erlaubt ist, da sind sich Polizeirechtler uneinig.
Schon 2006 hat das Bundeskriminalamt einen Modellversuch am Mainzer Hauptbahnhof durchgeführt. Damals war die Technik noch nicht so weit. Zu wenige Testpersonen wurden erkannt, vor allem morgens und abends bei schummerigem Licht. De Maizière hofft nun offensichtlich auf technische Fortschritte. Das Innenministerium hat bereits eine Projektgruppe eingerichtet, „um neueste Videoanalysesysteme auf ihren Nutzen zu testen“.
Doch wie sieht es rechtlich aus? Ist wirklich schon alles erlaubt, was die Polizei bald können soll? Der Linke-Abgeordnete Andrej Hunko fragte bei der Bundesregierung nach, welches Gesetz denn den massenhaften Einsatz von Gesichtserkennungssoftware erlaube.
Die Antwort kam von Innenstaatssekretärin Emily Haber. Sie verwies auf Paragraf 27 des Bundespolizeigesetzes (BPolG). „Die Bundespolizei kann selbsttätige Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte einsetzen“, heißt es da. Es geht also um Videoüberwachung. Doch die Aufzeichnung von Bildern ist etwas anderes als deren Auswertung durch einen Abgleich mit der Fahndungsdatei.
Das fand auch Andrej Hunko: „Wenn alle Vorübergehenden mit Polizeidatenbanken gerastert werden, dürfte das zu vielen falschen Treffern und damit zu vielen falschen Verdächtigungen führen – das ist ein massiver Grundrechtseingriff, der von diesem Paragrafen wohl kaum gedeckt ist.“
Sicherheitshalber fragte Hunko aber noch beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags nach. Resultat: Polizeirechtler sind noch völlig uneinig, ob das Bundespolizeigesetz derzeit eine Biometriefahndung erlaubt.
Auch Staatssekretärin Haber war weniger vollmundig als ihr Minister. Die eingerichtete Projektgruppe prüfe durchaus auch einen „Handlungsbedarf“ des Gesetzgebers.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich