: Videoclipbalzerei und Po-Massagen
Blind Date zu dritt und auf Sendung: MTV läutet mit seinem neuen Format „Dismissed“ die Post-Big-Brother-Ära ein. Es konnte tatsächlich noch schlimmer kommen – denn das eifrige Lieblingssexstellungsgeplapper macht die Zuschauer bloß traurig
„Dismissed“ auf MTV ist ein interessantes Post-Big-Brother-Format. Ein(e) Kandidat(in) hat zwei Dates mit zuvor noch Unbekannten und zwar gleichzeitig. Er/sie verbringt einen Abend mit beiden potenziellen Partnern, bevor er dann eine(n) der Anwärter(innen) als dismissed – „du bist raus!“ – erklärt und wahrscheinlich nie mehr sehen wird. Zwei versuchen also einen Dritten für sich zu erobern.
Um da mehr Pep reinzubringen, gibt es Timeout-Karten, mit denen man seinen Rivalen für zwanzig Minuten rausschicken kann. In den Timeouts wird häufiger geknutscht, wenn der Umworbene ein Mann ist, als wenn zwei Männer sich um eine Frau streiten. Die jeweiligen Abende werden auf sechs bis zehn Minuten zusammengekürzt. Reality-TV als Videoclipbalzerei und auf Hochglanz. Rauchen tut niemand.
Die Dreierkonstellation und das schnelle Zur-Sache-Kommen, wirkt dezent pornografisch. Man versucht einander schon in der Kleidung auszustechen, wobei ohne BH nicht erfolgreicher sein muss als mit. Aus dem Off kommentieren die MitspielerInnen die jeweils anderen meist mit: Du siehst scheiße aus, du bist langweilig oder ein Flittchen. Sie stellen sich auch selbst vor: „Ich heiße Susan, bin von Natur aus ehrgeizig und verliere nie“ oder: „Ich bin wie James Dean“ oder: „Ich knutsche immer beim ersten Date.“
Man trifft sich in Wohnungen, am Pool, in der Sporthalle, in Bars, Discos oder im Massagesalon. Neulich gab es eine Po–massage. Wenn zwei allein sind, endet das gewöhnlich mit einer Knutscherei, die erst unterbrochen wird, wenn der andere wieder zurückkommt. Dann die nächste Knutscherei. Manche ziehen sich auch aus. Die jungen KandidatInnen sehen gut und austauschbar aus, weil ja alle so aussehen im Fernsehen, und deshalb auch irgendwie hilflos. Ihre notgedrungen oberflächliche, zweckorientierte Unterhaltung wirkt trist. Ich will mir mal ein Piercing machen an einer wuschlig weichen Stelle – „ist doch witzig“.
Fragen nach sexuellen Vorlieben werden nicht mit einem empörten „Was geht dich das an“ beantwortet, vielleicht weil es noch die Amiversion ist. Manchmal gewinnt auch jemand, der nur so tut, als fände er/sie den anderen gut. Die Sendung macht traurig, auch weil nie eintreten darf, dass die drei zusammen im Bett landen oder dass alle einander doof finden. Zur Zeit werden Leute für die deutsche Version gecastet. BewerberInnen müssen Singles zwischen 18 und 28 sein und erklären, warum sie Single sind, was ihre Lieblingsstellung ist und welche Sexpraktiken sie ablehnen. DETLEF KUHLBRODT
Sendezeiten: Donnerstag 17.00–17.30 Uhr, Montag bis Freitag, Sonntag 17.33 bis 18.00, Montag 21.00–22.00 Uhr, Sonntag 22.00–23.00 Uhr