piwik no script img

Video der WocheKomm, sag es allen weiter

Ein bisschen Regie führen? Ein Teil des Films sein? Kein Problem: WWF und Campact mobilisieren mit interaktiven Clips zu Anti-Atom-Demos und Energiespar-Kampagnen.

Diese Ansicht bekommt nur, wer das Licht ausmacht. Bild: screenshot: myearthhour.org

Überwachung ist nicht immer nur fies. Jedenfalls nicht, wenn die Seite der Aktion "Earth Hour" die heimische Webcam anspricht. Dann nämlich reagiert der dort eingebundene Videoclip "Lights Off" auf die Helligkeit im Zimmer - und der Lichtschalter wird zum Regieknopf: Wenn der Zuschauer das Licht in seinem Zimmer ausmacht, wechselt der taghelle Trickfilm auf dem Bildschirm in den Nachtmodus. Für User ohne Webcam wird ein kleiner Button angezeigt, der den gleichen Effekt hat.

Die Betreiber der Seite wollen so Internetnutzer dazu bewegen, am Samstag zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr das Licht auszuschalten. "Das Video soll demonstrieren, dass wir unser Schicksal schon allein mit dem Betätigen des Lichtschalters in der Hand haben", sagt Dan Forman von "Earth Hour". Weltweit wollen sich mehr als 2000 Städte in 115 Ländern an der Aktion zu beteiligen. In Berlin zum Beispiel wird das Brandenburger Tor in dieser Zeit nicht beleuchtet, in Köln bleibt der Dom eine Stunde im Dunkeln.

Per Email, Facebook, Twitter und den übrigen Kanälen des Web 2.0 wird der interaktive Lichtschalter-Clip fleißig weiterempfohlen. In der Offline-Welt nannte man dieses Konzept früher manchmal etwas abfällig "Mundpropaganda", im Netz wird es heute höchst professionell betrieben. Werbe-Agenturen sprechen von "viralem Marketing".

Umweltaktivisten nutzen diese Verbreitungsform inzwischen immer häufiger. So auch die Organisation Campact, die noch einen Schritt weitergeht als "Earth Hour": In ihrem am Donnerstag gestarteten Video-Aufruf zur Anti-Atom-Demo in Krümmel, Hamburg und Brunsbüttel am 24. April kann man sogar selbst Teil der Story sein. Und den Clip sogar personalisiert an Freunde und Bekannte verschicken.

Der Plot ist simpel. "Wir bilden eine Kette, zigtausende von Menschen schütteln sich die Hände, von Krümmel bis nach Brunsbüttel", wird die Ausgangssituation im Video per Sprechgesang beschrieben; Titel des Clips: "Kettenreaktion". Während die Kamera über eine scheinbar endlose Menschenmenge schwenkt, tut sich jedoch eine Lücke zwischen den Aktivisten auf. "Wer fehlt denn da", fragt einer von ihnen. Kurz darauf ein Schnitt, man sieht ein Handydisplay: "Max, wo bleibst Du? Menschenkette!" Max steht für Max Mustermann, die standardmäßig eingestellte Anrede; gibt man vorher seinen eigenen Namen an, wird dieser angezeigt.

"Diese Personalisierung ist ein Gag, der den Clip von einem einfachen YouTube-Video abhebt", sagt Campact-Geschäftsführer Felix Kolb. Da man auch einen Verweis auf den personalisierten Clip per Email verschicken kann, hofft er außerdem, auch solche Internetnutzer zu erreichen, die das Web 2.0 kalt lässt: "Viele unserer Unterstützer nutzen zum Beispiel Facebook nicht." Schon im vergangenen Jahr habe man sich die Idee von der Aktion "Move On" aus den USA abgekuckt. Allerdings mit mäßigem Erfolg, wie sich Kolb erinnert: "Die Botschaft des Films passte damals nicht so recht zum Aufruf, deswegen hat das nicht so gut funktioniert."

Die "Kettenreaktion" dagegen ist hervorragend angelaufen. Bereits nach nur einem Tag wurde die Seite mehr als 22.000 Mal aufgerufen. Zum Vergleich: Ein anderer, nicht-personalisierter Video-Aufruf zu der gleichen Demo wurde bis Freitag erst rund 3.750 Mal angesehen -innerhalb von fünf Tagen.

Experten überrascht dieser unterschiedliche Zuspruch kaum. Personalisierte Videos seien ein besonders gutes Mittel, um sich von anderer Werbung abzusetzen, sagt etwa Tobias Kollmann, Professor für E-Business an der Universität Duisburg-Essen: "Das ist in etwa so, als würde man statt einem Serienbrief ein handschriftliches Anschreiben verschicken." Videos zu individualisieren sei aber auch für den Versender reizvoll, weil man dem Inhalt eine persönliche Note geben könne.

Dem "Earth Hours"-Video kann der Benutzer kaum eine persönliche Note geben. Zwar kann man mit ihm via Lichtschalter interagieren, doch nichts davon wird gespeichert. Jeder neue Zuschauer fängt sozusagen bei null an, ist beim Wechseln zwischen Tag- und Nachtmodus zu jeder Zeit frei. Der Beliebtheit scheint das dennoch nicht zu schaden: Bislang wurde der Mitmach-Clip mehr als 300.000 Mal ausprobiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • H
    Hannes

    Hm, mehr Klicks beim interaktiven Video von Campact - kann auch sein, dass es daran liegt, dass die 200.000 Leute im Verteiler haben, .ausgestrahlt vielleicht nur ein Fünftel davon?

  • H
    Hannes

    Hm, mehr Klicks beim interaktiven Video von Campact - kann auch sein, dass es daran liegt, dass die 200.000 Leute im Verteiler haben, .ausgestrahlt vielleicht nur ein Fünftel davon?

  • RS
    Rudolf Stüben

    Dem WWF sollte keiner mehr "Geld " in die Büchse werfen.

    Warum ? Fragen sie mal den WWF-Norwegen , der für Geld (ca. 100.000,-- € ) seine Ideale zum Schutz der Meeres-Fauna in Chile u.a. schändlich verhökert hat.

    MarineHarvest heißt der Sünder, in Norwegen/London von einem Norweger geführt , der sich das Label des WWF zur Verkaufs-Förderung seiner weltweiten Lachs-Zucht ergaunert hat.Und die WWF-"Granden " in Norwegen sind noch stolz auf den Deal.

    MarineHarvest verseucht in Chile, unter Mißachtung aller gesetzlichen Auflagen - weil Regierung gekauft - die Fjorde und Küsten mit Unmengen von Kot und toten Lachsen, durch Virus-Befall.

    Leidtragende sind die Fischer an den chilenischen Küsten; und die armen Leute, die den virusbefallenen Lachs auch noch auf den Wochenmärkten "kaufen " dürfen, wqeil extrem billig !Statt diese Auswüchse zu bekämpfen , honoriert man seitens des WWF noch diese skrupellosen Geschäfts-Praktiken des Herrn Frederikson! Pfui Teufel, WWF.