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Video der WocheTschernobyl ist keine Gefahr

Als 1986 halb Europa verstrahlt wurde, beruhigten Politiker in Ost und West die Bevölkerung mit teilweise absurden Behauptungen. Immerhin: In der BRD gab es eine Opposition.

Damals trugen die Nachrichtensprecherinnen passend zur Havarie Atomfrisuren. Bild: screenshot: Youtube

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7 Kommentare

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  • V
    vic

    Die Lügengeschichten sind geblieben, die Frisuren haben sich- zum Glück- gewandelt.

  • F
    Frank

    Auch anläßlich des Jahrestages von Tschnernobyl wird in den Medien das Restrisiko der Atomkraft, der größte anzunehmende Unfall, ausgiebig thematisiert:

     

    "In der ARD traten immerhin Experten auf, die von der Strahlung berichteten und eine Opposition, die der Regierung widersprach. Im Osten dagegen verkauften sie die Bevölkerung komplett für dumm. Der MDR hat eine Chronologie der DDR-Berichterstattung über Tschernobyl ins Netz gestellt, mit Sendungen der "Aktuellen Kamera". Kritik an der Linie der Regierung fehlt hier vollständig, brav lesen Moderatoren und Korrespondenten die staatlichen Meldungen vom Blatt. " ... "Alles super. Keine Toten, keine Verletzten, alle glücklich in den schönen, neuen Häusern. Von den elend verreckten Helfern am Reaktor, von den Fehlgeburten und schwer behinderten Kindern, davon erfährt der DDR-Zuschauer kein Sterbenswörtchen."

    ( Quelle: taz.de, 22.04.2011, http://taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-anti-akw/artikel/1/tschernobyl-ist-keine-gefahr/ )

     

     

    Und hier die Stimmen der "immerhin Experten" und der Opposition die der Regierung widersprach:

     

    "Die Behörden in Bukarest hatten am Nachmittag wegen erhöhter radioaktiver Belastung den Alarmzustand ausgelöst. Nach angaben des auswärtigen Amtes wurde die Bevölkerung aufgerufen, vorläufig in den Häusern zu bleiben, und weitere Anweisungen abzuwarten."

    ( Quelle: Tagesschau, 02.05.1986, Redaktionelle Meldung )

     

    "Die Empfehlung 500 Bequarel pro Liter Milch radioaktives Jod zu zulassen würde bedeuten, dass mit einem Liter Milch ein Kleinkind, etwa ein einjähriges Kleinkind, nahezu das Doppelte der ansonsten zugelassenen Menge von 90 Millirem erreichen würde. Wir halten das nicht für verantwortbar."

    ( Quelle: Tagesschau, 05.04.1986, Bundesumweltminister Joschka Fischer, Die Grünen)

     

    "Wir haben, noch einmal, festgestellt dass, nach der Einschätzung aller beteiligten Ressorts und auf der Grundlage der Beratung durch die sachverständigen Kommissionen, das es zu keiner Zeit eine Gefährdung unserer Bevölkerung gegeben hat, und dass eine solche Gefährdung auch nicht besteht"

    ( Quelle: Tagesschau, 07.05.186, Kanzleramtsminister Schäuble, CDU )

     

    "Teilweise erheblich hohe Strahlenwerte wurden im Erdreich gemessen. Dabei meldete Düsseldorf einen Spitzenwert von 50.000 Bequarel pro Quadratmeter Boden."

    ( Quelle: Tagesschau, 07.05.1986, Redaktionelle Meldung )

     

    Frage: "Wie sieht´s mit den langfristigen Gefährdungen aus?"

    Antwort: "Da sind die kurzlebigen Nukleide nicht betroffen. Aber, wir haben 2 langlebige Nukleide, die uns etwas Sorge bereiten. Einmal Caesium 137, was wir in den Gammaspektren gesehen haben, und zum Zweiten Strontium 90.", redaktionelle Meldung: "Das nämlich zerfällt erst nach 28 Jahren zur Hälfte."

    ( Quelle: Tagesschau, 07.05.1986, Hans-Otto Denschlag, Institut für Kernchemie Mainz; Redationelle Meldung )

     

    Frage: "Es gibt Eltern, die für Ihre Kinder nicht nur das Notwendige, sondern das Beste tun wollen. Was raten Sie diesen Eltern?"

    Antwort: "Diesen Eltern würde ich raten ihre Kinder, ihre kleinen Kinder, mit Trockenmilch zu ernähren; Nur leben wir jetzt eben in diesem Strahlenfeld und es is äußerst schwierig hier Nischen zu finden, wo man dem entweichen kann"

    ( Quelle: Tagesschau, 08.05.1986, Antwort von Erich Oberhausen, Mitglied der Strahlenschutzkommision )

     

     

    Bitte lesen die Zitate zunächst mehrmals.

    Ermitteln Sie den Gegenstand der Kritik der Pressestimme zum Fall Tschernobyl.

    Machen Sie sich bitte vertraut mit den dargestellten Fakten der wissenschaftlichen Zitate.

    Untersuchen Sie die jeweiligen politischen Standpunkte der Parteisprecher und deren Kommissionsprecher.

     

    Was, ganz genau, wird da gesagt?

     

    Ich bin zu folgendem Urteil gekommen:

    Die Pressestimme kritisiert die DDR-Berichterstattung. Die Schäden der Bevölkerung werden absichtlich verschwiegen!

     

    Das ist zutreffend.

    Nur, was ist daran verwerflich? Das Verschweigen der Wahrheit!

    Nicht der Schaden selbst, ist der Skandal. Weder die gewußte Gefährdung oder die Schädigung der Bevölkerung, bereits durch den Normalbetriebetrieb von AKWs, noch der GAU selbst sind Gegenstand der Kritik. Gefordert wird hier lediglich die Information von Bevölkerung über die Schäden, welche diese dann aber zu tragen hat.

    Die auf den ersten Blick empörte und agressive Frage, nach dem Besten anstelle des Notwendigen was Eltern für ihre Kinder tun wollen, weist die dreiste Antwort der "sachverständigen Kommisionen" doch gar nicht als Unverschämtheit zurück. So ist es, jetzt, nun mal. Und Sie und ich wissen, bis zum heutigen Tag, und drüber hinaus soll es auch in Zukunft weitergehen mit Atomkraft...

     

    Praktisch wird der politische Anspruch an die Opfer, die Schäden zu ertragen, von der Presse als Notwendigkeit, als Realismus transportiert.

    Das Verschweigen von Schäden, wie in der DDR, ist hier gar keine Kritik an den Wirkungen von Politik. Im Gegenteil. Die offene Klarstellung der zu tragenden Schäden seitens der Politik wird zum Qualitätsmerkmal von Herrschaft.

     

    Die erzwungene Notwendigkeit der Akzeptanz der Strahlungsschäden, deren Realtität nur durch den staatlichen Beschluss der Atomkraft überhaupt existiert,

    wird als Realismus (äüßerst schwierig Nischen zu finden...) und Nationalismus (die DDR ist böse..), eingefordert und befördert.

     

    Was als Schaden zu gelten hat, was als Schaden anerkannt ist, entscheiden Politiker.

    Das Radioaktivität als Schädigung überhaupt zu tragen ist, ist über alle Parteigrenzen hinweg unbestritten. Die zugelassene Menge, das ist der Streitpunkt!

    Ansonsten erschöpft sich die Proganda in guten Ratschlägen, wie Betroffene mit Strahlung, die nun mal da sei, umzugehen haben!

    Obst und Kinder sind zu waschen, und ansonsten ist in den Häusern zu bleiben und auf weitere Anweisung zu warten.

     

    Und das ist genau das, was Sie tun wollen?

  • F
    Fofi

    Wo es dem Weisen ein Wink vermag, da braucht der Narr einen Hammerschlag. So weit - so gut. Nach den Hammerschlägen von Tschernobyl und Fukushima haben unsere politischen Führungsgrößen offenbar nur im Sinn zu verharmlosen, um 'business as usual' betreiben zu können. So weit - so schlecht.

  • A
    Andreas

    Noch ein Zitat: "Man kann die Videos übrigens auch unter Style-Gesichtspunkten anschauen, sozusagen mode-ikonografisch interpretieren: 1986 schmückten sich die Männer im Fernsehen mit Atom-Brillen und die Frauen mit voluminösen Atom-Frisuren. Vermutlich eine Übersprungshandlung, weil man die Angst vor den Strahlen unterdrückte."

     

    Hmmm, naja, .... ist ja echt ne witzige Anekdote, lieber Ingo Arzt! Ich wusste garnicht, dass der Artikel jetzt doch irgendwie lustig sein will, nachdem kurz vorher noch so polemisch über die bereits zitierten "elend verreckten Helfer" schwadroniert wurd. Ich wundere mich... Fehlt mir jetzt einfach der Humor oder ist der Autor doch ein wenig geschmacklos, wie mir scheint? Vielleicht sollte der Artikel aber dann doch wenigstens eher als Glosse oder als Kommentar erscheinen.

  • A
    Andreas

    "Von den elend verreckten Helfern am Reaktor, von den Fehlgeburten und schwer behinderten Kindern, davon erfährt der DDR-Zuschauer kein Sterbenswörtchen."

     

    1) Es ist doch allgemein bekannt, dass in der DDR nicht wahrheitsgemäß berichtet wurde. Warum gibt sich der Autor hiervon so "empört-überrascht"? Hat er etwa anderes von der DDR-Berichterstattung erwartet?

    2) Diese Polemik wie "elend verreckten Helfern" und "kein Sterbenswörtchen" finde ich unpassend.

     

    3) Müsste es nicht - wenn überhaupt - "elendig verreckt..." heißen? Tut zwar nichts zur Sache, aber ich habe trotzdem mal interessehalber nach "elend verreckt" gegoogelt (nur 2690 Treffer, im Gegensatz zu elendig verreckt: 14.300 Treffer). Es kommen auf den ersten Blick überhaupt keine "seriösen" Treffer - also "echte" Zeitungsartikel etc. -, meist handelt es sich um irgendwelche Foreneinträge und häufig ist hier die Rede von Tieren, nicht von Menschen, die "elend(ig) verreckt" sind. Ein solches Vokabular ist gerade in Zusammenhang mit Menschen m.E. auch wirklich nicht zu gebrauchen - damit wird man den Opfern auch nicht gerecht(er). Hier würde ich mir doch mehr Sensibilität bei der Ausdrucksweise wünschen. Meine Meinung.

  • A
    ANJA

    "Ein Jahr nach Tschernobyl besuchte ein Korrespondent eine neue Siedlung für die evakuierten Opfer. … bis … davon erfährt der DDR-Zuschauer kein Sterbenswörtchen. "

    zu diesem ganzen Absatz im Artikel:

     

    Möglicherweise kann ich nicht zwischen den Zeilen lesen bzw. hören und sehen, vielleicht fehlt mir auch nur die ideologisch gefärbte Brille.

     

    Ich finde den Bericht weder beschönigend noch sonst wie DDR/UDSSR propagandistisch..

     

    Die Menschen sind traurig ihre Heimat verloren zu haben. Der Tschernobyl Arbeiter erzählt von seinen verletzten, bzw. verstorbenen Kollegen. Zum Ende hoffen Eltern auf eine Zukunft für ihre Kinder ohne Atomkrieg, da es dann wohl keine Evakuierungszone mehr geben wird und alle Menschen sterben müssen.

     

    Und das "Schönrechnen" der Opfer ist kein Problem der DDR/UDSSR, sondern eines der Atomlobby weltweit.

     

    "Damit summiert sich die Zahl der weitgehend gesicherten Todesfälle durch Tschernobyl laut UNSCEAR auf 62."

    http://www.zeit.de/wissen/2011-04/tschernobyl-gesundheitsfolgen-bericht

     

    Und UNSCEAR ist nicht DDR/UDSSR, wenn man sich die Zusammensetzung der Länder anschaut.

    http://www.unscear.org/unscear/en/about_us/memberstates.html

     

    Und, so es diese neuen Häuser und das neue Dorf bereits nach einem Jahr tatsächlich gegeben hat und die Menschen so schnell evakuiert wurden, kann ich nur sagen: Hut ab vor der damaligen Sowjetunion.

     

    In Israel wohnen noch heute aus dem Gazastreifen evakuierte Siedler in Übergangs -Containern. Seit 2005.

     

    Übrigens finde ich die neuen Häuser tatsächlich sehr schön. Schöner jedenfalls als manche Klonsiedlungen, die in Deutschland auf dem Acker hochgezogen werden.

     

    Woher der Artikelschreiber jedoch seine Aussage: "Alles super. Keine Toten, keine Verletzten, alle glücklich in den schönen, neuen Häusern." herholt, ist mir völlig unverständlich. Die Menschen sind offensichtlich sehr traurig.

     

    Fazit: ein dummer, eher oberflächlicher Beitrag, mit zumindest interessanten Links.

  • L
    Lucia

    Danke für den Artikel und Hinweis auf das Video.

    Aber muss der unpassende Hinweis auf die Frisuren wirklich sein. Wir können uns auch so an die Mode der 80-iger Jahre erinnern.