Auch anläßlich des Jahrestages von Tschnernobyl wird in den Medien das Restrisiko der Atomkraft, der größte anzunehmende Unfall, ausgiebig thematisiert:
"In der ARD traten immerhin Experten auf, die von der Strahlung berichteten und eine Opposition, die der Regierung widersprach. Im Osten dagegen verkauften sie die Bevölkerung komplett für dumm. Der MDR hat eine Chronologie der DDR-Berichterstattung über Tschernobyl ins Netz gestellt, mit Sendungen der "Aktuellen Kamera". Kritik an der Linie der Regierung fehlt hier vollständig, brav lesen Moderatoren und Korrespondenten die staatlichen Meldungen vom Blatt. " ... "Alles super. Keine Toten, keine Verletzten, alle glücklich in den schönen, neuen Häusern. Von den elend verreckten Helfern am Reaktor, von den Fehlgeburten und schwer behinderten Kindern, davon erfährt der DDR-Zuschauer kein Sterbenswörtchen."
( Quelle: taz.de, 22.04.2011, http://taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-anti-akw/artikel/1/tschernobyl-ist-keine-gefahr/ )
Und hier die Stimmen der "immerhin Experten" und der Opposition die der Regierung widersprach:
"Die Behörden in Bukarest hatten am Nachmittag wegen erhöhter radioaktiver Belastung den Alarmzustand ausgelöst. Nach angaben des auswärtigen Amtes wurde die Bevölkerung aufgerufen, vorläufig in den Häusern zu bleiben, und weitere Anweisungen abzuwarten."
( Quelle: Tagesschau, 02.05.1986, Redaktionelle Meldung )
"Die Empfehlung 500 Bequarel pro Liter Milch radioaktives Jod zu zulassen würde bedeuten, dass mit einem Liter Milch ein Kleinkind, etwa ein einjähriges Kleinkind, nahezu das Doppelte der ansonsten zugelassenen Menge von 90 Millirem erreichen würde. Wir halten das nicht für verantwortbar."
( Quelle: Tagesschau, 05.04.1986, Bundesumweltminister Joschka Fischer, Die Grünen)
"Wir haben, noch einmal, festgestellt dass, nach der Einschätzung aller beteiligten Ressorts und auf der Grundlage der Beratung durch die sachverständigen Kommissionen, das es zu keiner Zeit eine Gefährdung unserer Bevölkerung gegeben hat, und dass eine solche Gefährdung auch nicht besteht"
( Quelle: Tagesschau, 07.05.186, Kanzleramtsminister Schäuble, CDU )
"Teilweise erheblich hohe Strahlenwerte wurden im Erdreich gemessen. Dabei meldete Düsseldorf einen Spitzenwert von 50.000 Bequarel pro Quadratmeter Boden."
( Quelle: Tagesschau, 07.05.1986, Redaktionelle Meldung )
Frage: "Wie sieht´s mit den langfristigen Gefährdungen aus?"
Antwort: "Da sind die kurzlebigen Nukleide nicht betroffen. Aber, wir haben 2 langlebige Nukleide, die uns etwas Sorge bereiten. Einmal Caesium 137, was wir in den Gammaspektren gesehen haben, und zum Zweiten Strontium 90.", redaktionelle Meldung: "Das nämlich zerfällt erst nach 28 Jahren zur Hälfte."
( Quelle: Tagesschau, 07.05.1986, Hans-Otto Denschlag, Institut für Kernchemie Mainz; Redationelle Meldung )
Frage: "Es gibt Eltern, die für Ihre Kinder nicht nur das Notwendige, sondern das Beste tun wollen. Was raten Sie diesen Eltern?"
Antwort: "Diesen Eltern würde ich raten ihre Kinder, ihre kleinen Kinder, mit Trockenmilch zu ernähren; Nur leben wir jetzt eben in diesem Strahlenfeld und es is äußerst schwierig hier Nischen zu finden, wo man dem entweichen kann"
( Quelle: Tagesschau, 08.05.1986, Antwort von Erich Oberhausen, Mitglied der Strahlenschutzkommision )
Bitte lesen die Zitate zunächst mehrmals.
Ermitteln Sie den Gegenstand der Kritik der Pressestimme zum Fall Tschernobyl.
Machen Sie sich bitte vertraut mit den dargestellten Fakten der wissenschaftlichen Zitate.
Untersuchen Sie die jeweiligen politischen Standpunkte der Parteisprecher und deren Kommissionsprecher.
Was, ganz genau, wird da gesagt?
Ich bin zu folgendem Urteil gekommen:
Die Pressestimme kritisiert die DDR-Berichterstattung. Die Schäden der Bevölkerung werden absichtlich verschwiegen!
Das ist zutreffend.
Nur, was ist daran verwerflich? Das Verschweigen der Wahrheit!
Nicht der Schaden selbst, ist der Skandal. Weder die gewußte Gefährdung oder die Schädigung der Bevölkerung, bereits durch den Normalbetriebetrieb von AKWs, noch der GAU selbst sind Gegenstand der Kritik. Gefordert wird hier lediglich die Information von Bevölkerung über die Schäden, welche diese dann aber zu tragen hat.
Die auf den ersten Blick empörte und agressive Frage, nach dem Besten anstelle des Notwendigen was Eltern für ihre Kinder tun wollen, weist die dreiste Antwort der "sachverständigen Kommisionen" doch gar nicht als Unverschämtheit zurück. So ist es, jetzt, nun mal. Und Sie und ich wissen, bis zum heutigen Tag, und drüber hinaus soll es auch in Zukunft weitergehen mit Atomkraft...
Praktisch wird der politische Anspruch an die Opfer, die Schäden zu ertragen, von der Presse als Notwendigkeit, als Realismus transportiert.
Das Verschweigen von Schäden, wie in der DDR, ist hier gar keine Kritik an den Wirkungen von Politik. Im Gegenteil. Die offene Klarstellung der zu tragenden Schäden seitens der Politik wird zum Qualitätsmerkmal von Herrschaft.
Die erzwungene Notwendigkeit der Akzeptanz der Strahlungsschäden, deren Realtität nur durch den staatlichen Beschluss der Atomkraft überhaupt existiert,
wird als Realismus (äüßerst schwierig Nischen zu finden...) und Nationalismus (die DDR ist böse..), eingefordert und befördert.
Was als Schaden zu gelten hat, was als Schaden anerkannt ist, entscheiden Politiker.
Das Radioaktivität als Schädigung überhaupt zu tragen ist, ist über alle Parteigrenzen hinweg unbestritten. Die zugelassene Menge, das ist der Streitpunkt!
Ansonsten erschöpft sich die Proganda in guten Ratschlägen, wie Betroffene mit Strahlung, die nun mal da sei, umzugehen haben!
Obst und Kinder sind zu waschen, und ansonsten ist in den Häusern zu bleiben und auf weitere Anweisung zu warten.
Und das ist genau das, was Sie tun wollen?
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